Was Kardiologen von Mc Donalds lernen können


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Wenn Sie ein Problem besonders anschaulich beschreiben wollen, neigen Amerikaner durchaus zu unkonventionellen Vergleichen. „Wenn Sie bei Mc Donalds einen Hamburger bestellen, können Sie mit 100 %iger Sicherheit davon ausgehen, dass er mit Ketchup belegt ist. Doch wenn Sie sich mit einem akuten Koronarsyndrom in eine Klinik begeben, wissen Sie nicht, ob Sie die erforderliche Medikation immer bekommen.“ Mit diesem witzigen und zugleich provokativen Statement – vorgetragen auf der Jahrestagung der American Heart Association im November 2002 in Chicago – wollte Prof. Eric D. Peterson von der Duke Universität in Durham darauf aufmerksam machen, dass die Kardiologie noch keinesfalls jene Versorgungsqualität garantieren kann, die die Fast-Food-Kette bereits heute anbietet.

Dass dies in der Tat so ist, musste Prof. Peterson im Rahmen einer Analyse der Behandlungsdaten von 27 786 Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom aus 300 amerikanischen Krankenhäusern feststellen; denn ein großer Teil dieser Krankenhäuser setzte die offiziellen Empfehlungen der großen amerikanischen Herzgesellschaften (American Heart Association und American College of Cardiology) in ihrem praktischen Alltag nicht um. Auch wenn es sich um eine amerikanische Erhebung handelt, so dürfte „the real world“ in Europa und somit auch in Deutschland nicht anders aussehen.

Die zum Teil erhebliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom hat, so Peterson, durchaus einen wesentlichen Einfluss auf die Überlebensrate dieser Patienten. In Krankenhäusern, die die offiziellen Therapieempfehlungen weitestgehend umsetzen, lag die Krankenhausmortalität bei diesem Krankheitsbild bei 11,9 % im Vergleich zu 17,7 % in Kliniken, die diese evidenzbasierten Richtlinien nicht konsequent befolgten.

Eine Erklärung für diese offensichtlichen Defizite ist schwierig. Nach Meinung von Peterson dürfen jedoch nicht nur ökonomische Zwänge eine Rolle spielen, zumal nicht nur eine Unter-, sondern teilweise auch eine Übertherapie vor allem im Bereich der interventionellen Therapie stattfindet. Entscheidend ist seiner Meinung nach die fehlende intellektuelle Disziplin vieler Ärzte: Die Empfehlungen werden innerhalb der Klinik zu wenig kommuniziert und ihre Anwendung nicht kontrolliert, kurzum, es fehlt ein entsprechendes Qualitätsmanagement.

Die vorgestellten Ergebnisse sind in der Tat sehr enttäuschend, da bei kaum einem anderen Krankheitsbild so eindeutige und nachvollziehbare Empfehlungen vorliegen wie für Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom. Hier liegt auch das besondere Verdienst sowohl der amerikanischen als auch der europäischen Gesellschaft für Kardiologie, dass sie aus dem unüberschaubaren Wirrwarr der in den letzten Jahren veröffentlichten Studien klare und überall umsetzbare Handlungsanleitungen erarbeitet haben.

Die in der Studie dokumentierten Defizite betreffen vor allem die zusätzliche Gabe von Clopidogrel bei der Sofort-Therapie des akuten Koronarsyndroms, aber auch die Gabe eines Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitors bei Hochrisiko-Patienten mit Indikation für eine möglichst rasche interventionelle Therapie. Auch wird ein Betablocker nur bei jedem zweiten Herzinfarkt-Patienten eingesetzt. Aber auch in der Langzeit-Therapie der Postinfarkt-Patienten liegt vieles im Argen: Acetylsalicylsäure erhalten 73 bis 93 % der Patienten, ACE-Hemmer 40 bis 70 % und CSE-Hemmer 58 bis 80 %. „There is something wrong in this country“, so das Fazit Petersons. Und „this country” dürfte sicher auch Deutschland sein, wo Mc Donalds ebenso wie in Amerika die Qualität seiner Hamburger garantiert.

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