Catecholamine: Freund oder Feind des Kardiologen?


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Diese alltägliche Lebenserfahrung gilt auch in der Medizin. So erweisen sich gelegentlich seit vielen Jahren etablierte und deshalb fast reflektorisch eingesetzte Therapiestrategien durchaus als fragwürdiges Unterfangen, wenn man sie kritisch hinterfragt und nach Evidenz-basierten Daten sucht.

Ein Beispiel für ein solches Dilemma ist das Konzept der Catecholamin-Therapie im kardiogenen Schock, wie es in jedem Lehrbuch propagiert, allgemein akzeptiert und routinemäßig praktiziert wird, nämlich in über 95 % aller Fälle. Da klingt es provokativ, wenn Prof. Dr. Karl Werdan von der Martin Luther Universität Halle-Wittenberg seinen Vortrag beim diesjährigen Kardiologen-Kongress mit dem Titel überschreibt: „Catecholamine im kardiogenen Schock: Hilfreich, nutzlos oder gefährlich?“ Die Zuhörer wirkten überrascht oder irritiert; denn was so häufig angewandt wird, muss doch wohl wirksam sein, dafür spricht die Empirie, so die vorherrschende Meinung. Doch Evidenz-basierte Daten zur letalitätssenkenden Wirkung von Catecholaminen im kardiogenen Schock fehlen in der Tat.

Keine Frage, die Catecholamin-induzierte Steigerung der Koronarperfusion ist für das Herz des Schock-Patienten günstig, soweit die Blutdrucksteigerung überwiegend durch die positiv inotrope und nicht ausschließlich vasopressorische Wirkung zustande kommt. Ungünstig ist allerdings die damit verbundene Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und die durch Catecholamine getriggerte vermehrte Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, die kardiodepressorisch, ja sogar kardiotoxisch wirken, zumal im kardiogenen Schock die Zytokin-Produktion bereits massiv gesteigert ist. Deshalb können Catecholamine zwar die kardiale Pumpfunktion verbessern, aber keinesfalls das Multiorganversagen durchbrechen, welches letztendlich Prognose-bestimmend ist. Ungünstig für den Patienten sind auch die vasokonstriktorisch bedingte Einschränkung der Splanchnikus-Perfusion und der Shift von der aeroben zur anaeroben Stoffwechsellage unter Catecholaminen. Solche ungünstigen Effekte sind insbesondere beim Einsatz von Dopamin oder Adrenalin zu befürchten, weniger bei Dobutamin. Doch ein ideales Catecholamin, welches die günstigen Eigenschaften in sich vereint, ohne diese nachteiligen Wirkungen zu entfalten, steht bisher nicht zur Verfügung.

Die Frage, ob Catecholamine im kardiogenen Schock gut oder schlecht sind, ja ob sie ein Freund oder Feind des Kardiologen sind, lässt sich somit nur ausweichend beantworten: Sowohl als auch. Deshalb empfiehlt Professor Werdan bei Patienten im kardiogenen Schock mit möglichst geringen Catecholamin-Dosen „über die Runden zu kommen“. Was dies jedoch im Einzelfall bedeutet, diese Frage blieb unbeantwortet.

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