Rheumatoide Arthritis: Die Therapie ist janusköpfig


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Jeder zweite Patient mit einer rheumatoiden Arthritis stirbt an einem Myokardinfarkt! Somit ist das kardiovaskuläre Risiko eines Rheumatikers durchaus vergleichbar mit dem eines Diabetikers. Und es gibt weitere Parallelen: Ebenso wie Diabetiker zeigen Rheumatiker bereits zum Zeitpunkt der Manifestation ihrer Erkrankung ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Bei beiden Erkrankungen verläuft die KHK nicht selten heimtückisch – sowohl der Herzinfarkt als auch der Herztod kommen ohne klinische Vorboten. Und bei beiden Patientengruppen besteht ein ausgeprägter Trend zur Mehrgefäßerkrankung.

Die Diskussion über kardiovaskuläre Risiken der nichtsteroidalen Antirheumatika hat das primäre, krankheitsbedingte, nämlich durch die Inflammation induzierte kardiovaskuläre Risiko fast vergessen lassen. Doch sowohl beim Diabetiker als auch beim Rheumatiker spielen bei der Entstehung, Progression und Manifestation der KHK inflammatorische Prozesse die entscheidende Rolle. Dafür spricht auch, dass das koronare Mortalitätsrisiko mit der Krankheitsaktivität (BSG, CRP, Anti-CCP-AK) korreliert.

Für das stark erhöhte kardiovaskuläre Risiko der Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis dürften neben dem Entzündungsprozess aber sicherlich auch der krankheitsassoziierte Stress und die eingesetzten Medikamente eine Rolle spielen. Und dies gilt nicht nur für die nichtsteroidalen Antirheumatika, sondern auch für Glucocorticoide. Gerade bei Rheumatikern zeigen sie ihre Janusköpfigkeit. Zum einen wirken Glucocorticoide über ihre ungünstigen metabolischen Begleitwirkungen proatherogen, da sie die Insulinresistenz verstärken. Andererseits entfalten sie jedoch auch antiatherogene Effekte durch ihre antiinflammatorische Wirkungskomponente. Dies erklärt den scheinbaren Widerspruch neuerer Studienergebnisse. Dabei zeigte sich nämlich, dass eine Therapie mit Glucocorticoiden ein Risiko für die erstmalige Manifestation einer neu aufgetretenen KHK darstellt. Andererseits senken Glucocorticoide bei Patienten mit bekannter KHK das Risiko eines plötzlichen kardiovaskulären Todes.

Aber auch die modernen „Biologics“ zeigen zwei Gesichter: Einerseits kommt es unter einer Therapie mit einem TNF-α-Blocker zu einer Erhöhung des Gesamtcholesterols, andererseits konnte jedoch bei dopplersonographischen Untersuchungen keine ungünstige Beeinflussung des atherogenen Index nachgewiesen werden. Nach ersten Daten scheinen TNF-α-Blocker sogar das kardiovaskuläre Risiko bei Rheumatikern günstig zu beeinflussen.

Und wie steht es mit den nichtsteroidalen Antirheumatika? Sind klassische NSAR für das Herz sicherer als COX-2-Hemmer? Diese Frage erfordert nach Expertenmeinung eine sehr differenzierte Antwort. Die vorliegenden Studienergebnisse legen nahe, dass für jedes Medikament, egal ob selektiver oder nichtselektiver COX-Hemmer, das kardiovaskuläre Risiko eigens definiert werden muss.

Die vorliegenden Daten lassen jedoch folgende Hypothese zu: Alle NSAR, unabhängig davon, ob es sich um COX-2-Hemmer oder klassische NSAR handelt, hemmen die Cyclooxygenase 2 (COX-2) im Endothel und entfalten somit einen gefäßschädigenden Effekt. Zwar sind klassische NSAR gleichzeitig auch COX-1-Hemmer und inhibieren somit die Thrombozytenaggregation, besitzen also einen gewissen ausgleichenden kardioprotektiven Effekt. Doch auch klassische NSAR erhöhen das kardiovaskuläre Risiko. So zeigte das als kardioprotektiv geltende Naproxen bei Patienten mit Morbus Alzheimer im Vergleich zu Plazebo ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.

Erkrankung selbst oder Therapie? Diese plakativ formulierte Frage nach der entscheidenden Ursache für das stark erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei Rheumatikern muss deshalb mit „sowohl als auch“ beantwortet werden. Doch leider sind die genannten Substanzgruppen für Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis unverzichtbar, so dass ein damit erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nolens volens akzeptiert werden muss, solange keine sichereren Substanzen zur Verfügung stehen. Wichtig ist jedoch, dass jeder Rheumatiker ab der Diagnosestellung regelmäßig kardiologisch kontrolliert wird und dass alle beeinflussbaren Risikofaktoren konsequent korrigiert werden. Nur so lässt sich das kardiovaskuläre Schicksal der betroffenen Patienten günstig beeinflussen. Und damit schließt sich der Kreis zum Diabetiker.

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