H. C. Diener, Essen
Grafik: Boehringer Ingelheim
Der Schlaganfall ist eine verheerende Erkrankung. 20 % der Betroffenen sterben und etwa ¼ erleidet so ausgeprägte Schäden, dass eine Unterbringung im Pflegeheim oder eine Rundumversorgung durch die Familie und den Pflegedienst zu Hause notwendig ist. Dies erklärt, warum vielfältige Anstrengungen unternommen werden, um insbesondere Rezidivinsulte nach einem ersten ischämischen Ereignis zu verhindern. Belegt in der Sekundärprävention ist der Nutzen von Thrombozytenfunktionshemmern wie Acetylsalicylsäure oder die Kombination von Acetylsalicylsäure und retardiertem Dipyridamol sowie bei Hochrisikopatienten die Gabe von Clopidogrel. Ebenfalls belegt ist der Nutzen einer wirksamen antihypertensiven Therapie. Bisher gab es das so genannte Cholesterol-Paradoxon: Große epidemiologische Studien ergaben keinen Zusammenhang zwischen Schlaganfall und Höhe des Cholesterol-Spiegels. Die wahrscheinlichste Erklärung für dieses Paradoxon ist, dass in den epidemiologischen Studien alle Schlaganfalltypen zusammen ausgewertet wurden, nämlich Ischämien, Blutungen und Subarachnoidalblutungen. Bei Betrachtung der Untergruppen gibt es keinen Zweifel, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der Höhe des Cholesterol-Spiegels und dem Ausmaß der Arteriosklerose der hirnversorgenden Gefäße besteht.
Große Studien zum Einsatz von CSE-Hemmern in der Sekundärprävention des Schlaganfalls fehlen bisher. Die bislang vorliegenden Daten stammen aus Studien, in die entweder Risikopatienten oder Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung eingeschlossen wurden. Dort zeigte sich allerdings durchgehend eine Risikoreduktion auch für Schlaganfälle durch die Gabe von CSE-Hemmern [1]. Am besten untersucht ist hier Simvastatin. Die Lage hat sich durch die SPARCL-Studie geändert [2]. Wie auf Seite 66 referiert, ergab diese Studie, in die Patienten nach einem ischämischen Insult eingeschlossen wurden, eine signifikante Überlegenheit von 80 mg Atorvastatin gegenüber Plazebo. Dies betraf nicht nur die Rate von Schlaganfällen, sondern auch die Reduktion vaskulärer Ereignisse einschließlich Myokardinfarkt und vaskulärem Tod.
Nun stellt sich die Frage nach der praktischen Umsetzung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse. Würde man die Studienlage 1 : 1 in Therapieempfehlungen umsetzen, müsste man dazu raten, jeden Patienten nach TIA oder ischämischem Insult mit 80 mg Atorvastatin pro Tag zumindest über 5 Jahre zu behandeln. Dem steht aber gegenüber, dass Sortis® nicht unter die Festbetragsregelung fällt und daher von den Patienten eine erhebliche Zuzahlung erfordert. Dies macht die Umsetzung einer solchen Therapieempfehlung praktisch unmöglich. Um es in Zahlen auszudrücken: Eine einjährige Behandlung mit 20 mg Simvastatin als Generikum kostet etwa 130 Euro, mit Zocor® 193 Euro und mit Sortis® 80 mg 660 Euro. Hier besteht nun auch ein ethisches Dilemma für die Firma Pfizer. Natürlich hat die Firma viel Geld in klinische Studien investiert, um den Nutzen von Atorvastatin zu belegen. Gleichzeitig verfolgt sie aber eine Preispolitik in Deutschland, die den Großteil der gesetzlich versicherten Patienten vom Nutzen dieser Substanz ausschließt. Dies geht eindeutig in Richtung Zweiklassenmedizin. Privatpatienten werden keine Probleme haben, Atorvastatin verschrieben und erstattet zu bekommen. Bei gesetzlich versicherten Patienten ist dies aufgrund der hohen Zuzahlung praktisch nicht möglich. Hier befinden sich die Neurologen und die weiterbehandelnden Ärzte für die Schlaganfallprävention in einem echten Dilemma, aus dem es mit der derzeitigen Preisgestaltung für Sortis® auch keinen Ausweg gibt.
1. Amarenco P, Labreuche J, Lavallee P, Touboul P. Statins in stroke prevention and carotid atherosclerosis: systematic review and up-to-date meta-analysis. Stroke 2004;35:2902–9.
2. The Stroke Prevention by Aggressive Reduction in Cholesterol Levels (SPARCL) Investigators. High-dose atorvastatin after stroke or transient ischemic attack. N Engl J Med 2006;355:549–59.
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