Myokardinfarkt: Vieles, aber nicht alles wurde besser


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Innerhalb von vier Wochen ist jeder zweite Betroffene verstorben! Welche andere Erkrankung hat eine so schlechte Prognose? Die Rede ist vom frischen ST- Hebungsinfarkt. Hinter dieser erschreckenden Zahl verbirgt sich auch die Tatsache, dass viele Patienten mit einem frischen Myokardinfarkt versterben, bevor der Notarzt sie oder sie die Klinik erreicht haben. Diese Patienten können also gar nicht von den Segnungen der modernen Infarkttherapie profitieren, es sei denn, es gelingt mit intensiven Aufklärungskampagnen die Prähospitalzeit zu verkürzen.
Bei der klinischen Infarkttherapie hat es in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gegeben, und zwar sowohl bei der Reperfusionsbehandlung als auch bei der medikamentöse Begleittherapie. Eindeutig nachgewiesen ist die Überlegenheit der Sofort-PCI gegenüber der medikamentösen Fibrinolyse. Es bleibt die Frage, wie die überzeugenden Ergebnisse der Sofort-PCI in großen randomisierten klinischen Studien auf den Versorgungsalltag übertragen werden können. So spielt die Erfahrung des Untersuchers bei den Behandlungsergebnissen der Sofort-PCI eine wichtige Rolle. Bei der medikamentösen Fibrinolyse dagegen dürfte die Erfolgsrate vom Anwender eher unabhängig sein.

Nach den Daten des Infarktregisters hat die Zahl der Infarktpatienten, die eine Reperfusionstherapie erhalten, in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, und zwar zugunsten der Sofort -PCI, während die Anzahl der Patienten mit einer medikamentösen Fibrinolyse stabil bleibt. Doch nachts und am Wochenende wird auch in Kliniken mit Katheterlabor immer noch relativ häufig eine Fibrinolyse durchgeführt, eine 24-Stunden-Bereitschaft im Herzkatheterlabor ist noch längst nicht überall etabliert. Auch erhalten über 70-jährige Patienten und andere Hochrisiko-Patienten häufiger eine Fibrinolyse als eine Sofort-PCI. Die „kränksten“ Infarktpatienten erhalten die schlechteste Therapie, obwohl sie am stärksten von einer optimierten Behandlung profitieren könnten. Während 135 Patienten mit einem kleinen Hinterwandinfarkt primär interventionell statt mit Fibrinolyse behandelt werden müssen, um ein Leben zu retten, sind es im Hochrisikobereich nur 8 Patienten. Doch Niedrigrisiko-Patienten erhalten heute zu 90 % eine Sofort-PCI, bei Hochrisiko-Patienten ist es noch nicht einmal jeder Zweite. Entscheidend für die Prognose des Infarktpatienten ist jedoch nicht nur die Reperfusionsstrategie, sondern auch die medikamentöse Begleittherapie mit Acetylsalicyläsure, Clopidogrel, Betablockern und ACE-Hemmern. Die kombinierte Gabe dieser Subtanzen reduziert die Infarktletalität um etwa 50 %. Erfreulicherweise wurden diese vier Substanzgruppen in den letzten 10 Jahren zunehmend als Standard in die Behandlung des Infarktpatienten integriert.

Auch bei den kritischen Zeitintervallen ist nicht alles besser geworden. Während die „Pforte-Ballon-Zeit“ in den letzten 10 Jahren deutlich kürzer geworden ist, verlängerte sich die Prähospitalzeit von durchschnittlich 166 Minuten auf über 200 Minuten. Auch nahm der Anteil der Patienten, die in der ersten Stunde stationär aufgenommen wurden, signifikant ab. Hier bedarf es gewaltiger Anstrengungen mit breit angelegten Aufklärungskampagnen. Darüber hinaus müssen flächendeckende Netzwerke geschaffen werden, um jedem Infarktpatienten in Deutschland innerhalb von 120 Minuten nach Diagnosestellung eine optimale Infarkttherapie mit Sofort-PCI garantieren zu können.

Summa summarum: Die Leitlinien zur Infarktbehandlung haben die Prognose wesentlich verbessert. Jetzt sind sie im klinischen Alltag auch überall umzusetzen; denn durch eine optimierte Behandlung wird nach den Daten des Infarktregisters die Krankenhausletalität von 18,5 % auf 5,6 % gesenkt. Und dies ist ein gewaltiger Fortschritt, der keinem Infarktpatienten vorenthalten werden sollte.

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