Kurt Kochsiek, Würzburg
osteoporose.com
Der Anteil alter und sehr alter Patienten in der ärztlichen Praxis nimmt ständig zu, und es ist eine Binsenweisheit, dass mit steigendem Alter die Anfälligkeit für Krankheiten nicht nur zunimmt, vielmehr nehmen die Erkrankungen auch einen längeren Verlauf. Im Alter findet darüber hinaus ein Paradigmenwechsel statt, indem akute, in der Regel heilbare Krankheiten rückläufig sind, dafür aber chronische, im Allgemeinen nicht mehr auszuheilende Erkrankungen zunehmen. Die Therapie dieser chronischen Krankheiten versucht, Progredienz und Verlauf günstig zu beeinflussen und vor allem akute Verschlechterungen zu verhindern. Eine endgültige Heilung ist aber nur noch in den seltensten Fällen möglich. Eine weitere Besonderheit alter Patienten ist die Multimorbidität.
Erschwerend kommt hinzu, dass der alte Patient, solange er noch einigermaßen mobil ist, oft von mehreren Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen behandelt wird, die oft wenig oder nichts voneinander wissen. In der Betreuung dieser alten Patienten fehlt häufig eine ordnende Hand, eine Führung in dem diagnostischen und therapeutischen Dickicht. Die Erhebung der Therapie-Anamnese erfordert nicht selten kriminalistische Fähigkeiten, nicht weil der Patient bösartig ist, in der Regel liegt eine ungewollte Gedankenlosigkeit vor. Erst auf gezieltes Nachfragen erfährt man von einer gynäkologischen Hormonbehandlung, „aber das ist von meinem Frauenarzt und das interessiert Sie ja nicht“. Mit ähnlichen Argumenten erfährt man von einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika durch einen Orthopäden als Ursache der Verschlechterung einer vorher gut eingestellten Herzinsuffizienz, die Beispiele ließen sich nahezu unbegrenzt fortsetzen.
Um eine umfassende medikamentöse Behandlung alter Patienten sicherzustellen, müssen Ärzte eingehende Kenntnisse zur Physiologie und Pharmakologie alter Menschen besitzen. Organe altern nicht synchron, so wird die Nierenfunktion mit zunehmendem Alter am stärksten beeinträchtigt. Deshalb ist bei allen Medikamenten, die renal eliminiert werden, eine Dosisanpassung erforderlich und bei Arzneimitteln mit nephrotoxischer Komponente ist eine besonders strenge Indikationsstellung nötig. Der Arzt muss in jedem Einzelfall entscheiden, welche Gesundheitsstörungen behandelt werden müssen und welche symptomlosen Befunde keiner Behandlung bedürfen (Laborkosmetik!).
Bei allen Beschwerden, die unter der Behandlung erstmalig auftreten, müssen Neben- und/oder Wechselwirkungen ausgeschlossen werden. Zu beachten ist, dass Leitlinien nie an alten Patienten entwickelt oder getestet worden sind. Jede Dauertherapie alter Patienten erfordert eine besonders sorgfältige und regelmäßige Überwachung. Der Arzt sollte, wenn möglich, alles vermeiden, was den Patienten belastet, vor allem aufwendige diagnostische Maßnahmen. Sie dürfen nur zur Abklärung von Beschwerden, nicht zur Absicherung symptomloser Befunde durchgeführt werden. Das nil nocere hat in der Altersmedizin einen besonders hohen Stellenwert.
Vom Patienten wird eine gewissenhafte Compliance erwartet, ebenso aber auch eine aktive Mitarbeit, zum Beispiel durch Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol, unzureichende körperliche Bewegung, Reduktion, besser Vermeidung von Übergewicht, also eine gesunde Lebensführung.
Damit es nicht vergessen wird: Die ärztliche Aufgabe für die alte Generation beginnt jedoch viel früher. Schon die Jugend sollte durch Gesundheitsförderung und -erziehung auf ein gesundes Altern vorbereitet werden. Der Arzt sollte nie vergessen, dass er neben seinen individualmedizinisch-kurativen Aufgaben auch sozialmedizinisch-bevölkerungsbezogene Aufgaben wahrzunehmen hat, und es soll abschließend daran erinnert werden, dass dafür die Bildung und der sozio-ökonomische Status der Patienten eine führende Rolle spielt.
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