Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Kurt Kochsiek, Würzburg
Die Herzinsuffizienz ist die häufigste „Herzkrankheit“. Ihre Ursache ist die nachlassende Kontraktionskraft des Herzmuskels, in der Regel vor allem des linken Ventrikels, mit weitreichenden Rückwirkungen auf den gesamten Organismus, so dass die Herzinsuffizienz zu Recht zu den systemischen Allgemeinerkrankungen gezählt wird. Diese Zusammenhänge sind jedoch erst seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts nach und nach bekannt geworden.
Schon der Erstbeschreiber der Digitalispflanze, der Tübinger Botaniker und Arzt Leonhard Fuchs, wies bereits 1582 auf die – vermeintliche – diuretische Wirkung der Digitalisblätter hin. Auch für William Withering, dem wir als Resultat seiner beispielhaft gründlichen und sorgfältigen klinischen Beobachtungen die erste umfangreiche Beschreibung der Wirkung von Digitalis verdanken, stand die diuretische Wirkung im Vordergrund, obwohl er die kardialen Nebenwirkungen der Glykosidtherapie, wie Bradykardie und Extrasystolie, genau beschrieben hat. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wies der Berliner Kliniker Ludwig Taube erstmals auf eine kontraktionssteigernde Wirkung von Digitalis hin. Diese Beobachtung wurde in der Folgezeit tierexperimentell bestätigt. Seitdem standen für nahezu ein Jahrhundert positiv-inotrop wirkende Medikamente, vor allem Digitalis und Strophanthin, im Zentrum der Therapie der Herzinsuffizienz. Da sich die Symptome der Herzinsuffizienz, vor allem die Dyspnoe, zuerst bei Belastung bemerkbar machten, gehörte ferner die körperliche Schonung bis zur strengen Bettruhe zum festen Bestandteil der Therapie. In einem weit verbreiteten Lehrbuch der Inneren Medizin wird noch Anfang der 80er Jahre strenge körperliche Schonung bis zur Bettruhe zur Therapie empfohlen.
In klinischen Beobachtungen war nun aber schon seit längerem aufgefallen, dass jugendliche Patienten mit Herzinsuffizienz, beispielsweise im Rahmen einer dilatativen Kardiomyopathie, körperliche Belastungen deutlich symptomärmer leisten können als alte Patienten mit vergleichbarem hämodynamischem Schweregrad. Als Ursache fand sich eine altersabhängige gestörte Endothelfunktion, deren Grundlage inzwischen molekularbiologisch geklärt werden konnte. Auch in der Skelettmuskulatur konnten altersabhängige Veränderungen nachgewiesen werden. Damit treffen die peripheren Kompensationsmechanismen der Herzinsuffizienz wie Vasokonstriktion, Hypervolämie, neurohumorale Stimulation usw. bei jungen und alten Patienten auf unterschiedlich reagierende Gefäße und Skelettmuskeln, was die abweichende klinische Symptomatik erklärt.
In jüngster Zeit konnte dann in einzelnen, allerdings noch kleinen klinischen Studien gezeigt werden, dass gerade bei älteren Patienten, neben der medikamentösen Therapie und den allgemeinen Maßnahmen, durch ein adaptiertes körperliches Training eine deutliche Besserung der Leistungsfähigkeit, der Pumpfunktion und der Sauerstoffaufnahme erreicht werden kann. Es scheint, dass die körperliche Belastung Gefäßendothel und Skelettmuskulatur „verjüngt“. Als ein Nebeneffekt fand sich eine günstige Beeinflussung der Thromboseneigung und eine Verbesserung der motorischen Koordination mit günstigen Auswirkungen auf die häusliche Autonomie der alten Patienten. Die neuen Befunde sprechen schon jetzt dafür, dass die in den vergangenen Jahrzehnten schon gelockerte Empfehlung für körperliche Schonung bei der Therapie der Herzinsuffizienz durch ein dosisadaptiertes körperliches Training noch weiter gelockert werden kann.
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