Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Die Einführung der „Triptane“ zur Behandlung akuter Migräneattacken im Jahr 1992 war der größte Fortschritt seit der 100 Jahre zuvor gemachten Entdeckung, dass Acetylsalicylsäure in der Behandlung der Migräne wirksam ist. Für viele Patienten bedeutete dies eine dramatische Wendung in ihrer langjährigen Leidensgeschichte. Triptane sind spezifische Agonisten an 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren. Sie vermitteln ihre pharmakologische Wirkung über eine Konstriktion dilatierter Arterien im Bereich der Dura und der Hirnbasis, über die Hemmung der Freisetzung von Neuropeptiden wie CGRP (Calcitonin gene-related peptide) und die Hemmung der Schmerztransmission im Nucleus caudalis, des Nervus trigeminus und im Thalamus [1]. Im Gegensatz zu den Mutterkornalkaloiden haben Triptane eine relativ vorhersehbare Pharmakokinetik und -dynamik und damit eine weitgehend vorhersehbare Wirksamkeit. Obwohl es auch unter Triptanen zu einem medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz kommen kann [2], sind anhaltende körperliche Schäden, wie sie bei dem Ergotismus zu sehen sind, hier nicht beschrieben worden [3]. Zunächst stand nur Sumatriptan (Imigran®) in einer oralen und subkutanen Anwendung zur Verfügung. In der Anfangsphase der Einführung kam es dann zu mehreren schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Herzinfarkt, Schlaganfällen und sogar Todesfällen, die fast alle durch eine Fehlanwendung von Sumatriptan-Präparaten zu erklären waren [4]. So wurden beispielsweise Patienten mit transienten ischämischen Attacken unter der fälschlichen Annahme von Migräne-Auren mit repetitiven Dosierungen von subkutanen Sumatriptan-Präparaten behandelt, was dann – ob kausal oder nicht – zu einem Posterior-Infarkt führte. Nachdem Ärzte wie Patienten mit den Kontraindikationen der Triptane, nämlich schwerwiegenden vaskulären Erkrankungen, vertraut waren, nahm die Zahl der Nebenwirkungsmeldungen dramatisch ab. Über viele Jahre betrachtet zeigt sich jetzt, dass Triptane extrem sichere Medikamente sind. Wahrscheinlich liegt insgesamt die Rate an schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen sogar unter der von Acetylsalicylsäure und nichtsteroidalen Antirheumatika.
Dies führte dazu, das 2006 Naratriptan als erstes Triptan aus der Verschreibungspflicht in Deutschland entlassen wurde und seitdem als Formigran® OTC erhältlich ist. Um zu gewährleisten, dass die Anwendung sicher erfolgt, initiierte die Firma GlaxoSmithKline eine umfangreiche Kampagne bei Apothekern und pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) und führte ein umfangreiches Schulungsprogramm durch, um dem Apothekenpersonal zu ermöglichen, Patienten mit Migräne zu identifizieren und gleichzeitig Patienten mit Kontraindikationen zu erkennen. Zur Vorbeugung eines medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzes wurde die Dosis von Formigran® auf 2 Tabletten pro Packung reduziert.
Nachdem nun über 2,2 Mio. Migräneattacken mit frei verkäuflichem Naratriptan behandelt wurden, ist es Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Hier zeigt sich, dass der anfängliche Widerstand, insbesondere der Hausärzte, gegen die Entlassung von Naratriptan aus der Verschreibungspflicht unberechtigt war. Es gibt fast keine Meldungen über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die sich kausal mit der Einnahme von Naratriptan verknüpfen lassen. Viele Patienten genießen es, dass sie sich jetzt nicht mehr in Wartezimmern von Ärzten aufhalten müssen, um ein Rezept für ein Triptan zu bekommen. Befragungen bei Apothekern zeigen auch, dass es nicht De-novo-Patienten sind, die in der Apotheke freiverkäufliches Naratriptan verlangen, sondern Patienten mit einer langjährigen Migräneanamnese, die genau wissen, dass Triptane bei ihnen wirksam sind.
Angesichts des guten Sicherheitsprofils von Naratriptan hat der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht in der Zwischenzeit auch für Sumatriptan 50 mg und Almotriptan 12,5 mg (Almogran®) die Entlassung aus der Verschreibungspflicht empfohlen; die Empfehlung wird erst durch Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums wirksam.
Der einzige Wermutstropfen für Patienten ist, dass OTC-Präparate von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausgenommen sind. Die meisten Migräne-Patienten sind allerdings sehr wohl bereit, für eine wirksame Therapie in die eigene Tasche zu greifen und das Medikament selbst zu bezahlen. Der Geschichte der Triptane ist nach der überzeugenden Wirksamkeit jetzt hinzuzufügen, dass diese Substanzgruppe auch ein exzellentes Sicherheitsprofil hat.
Literatur
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