EditorialProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Neuzulassung von Arzneimitteln in Deutschland

Wissenschaft versus Ökonomie

ÜbersichtRainer Surges und Christian E. Elger, Bonn

Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP)

Was sind die Ursachen, wie kann er verhindert werden?

Der SUDEP ist eine seltene, aber fatale Komplikation von Epilepsien. Bei Menschen mit schwer behandelbarer Epilepsie beträgt die SUDEP-Inzidenzrate bis zu neun Fälle pro 1000 Personenjahre. Als relevante Risikofaktoren wurden das Vorliegen einer symptomatischen Ursache der Epilepsie, männliches Geschlecht, junges Lebensalter bei Beginn der Epilepsie, eine längere Epilepsiedauer sowie nächtliche epileptische Anfälle identifiziert. Der wichtigste und stärkste Risikofaktor ist das Auftreten generalisierter tonisch-klonischer Anfälle. In den meisten Fällen wird der SUDEP wahrscheinlich durch eine mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen assoziierte Suppression kardiorespiratorischer Funktionen in der frühen postiktalen Phase verursacht. Nächtliche Supervision und eine früh einsetzende kardiopulmonale Reanimation scheint den SUDEP in vielen Fällen verhindern zu können. Die wirksame medikamentöse Anfallskontrolle ist die derzeit einzige evidenzbasierte Maßnahme zur Prävention des SUDEP. Wird keine Anfallsfreiheit durch medikamentöse Therapie erreicht, kann auch ein erfolgreicher epilepsiechirurgischer Eingriff oder der Einsatz der Vagusnerv-Stimulation das SUDEP-Risiko reduzieren. Die Mehrzahl der Patienten und Angehörigen wünscht Informationen über das SUDEP-Risiko bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung.
Arzneimitteltherapie 2015;33:277–87.

FlaggeEnglish abstract

Sudden unexpected death in epilepsy (SUDEP): What are the causes and what can be done to prevent it?

SUDEP is a rare, but fatal complication of epilepsy. In people with medically refractory epilepsy, incidence rates amount up to nine cases per 1,000 patient years. Numerous risk factors have been identified including the presence of symptomatic epilepsy, male sex and young age at epilepsy-onset, long disease duration and nocturnal seizures. Generalized convulsive seizures are the most important risk factor. In the majority of cases, SUDEP is probably caused by an early breakdown of cardiorespiratory function following generalized convulsive seizures. Nocturnal supervision and early cardiopulmonary resuscitation appear to prevent SUDEP in many cases. Efficacious anticonvulsant drug therapy, however, is the only evidence-based measure to reduce the risk of SUDEP. If seizures are not sufficiently controlled by anticonvulsant drugs, successful epilepsy surgery or the use of vagal nerve simulation may decrease the SUDEP-risk. The majority of patients or relatives want to be informed about the risk of SUDEP at the time of diagnosis of epilepsy or at follow-up visits. Individualized counselling about SUDEP should become part of the daily clinical practice when treating people with epilepsy.

Key words: Generalized tonic-clonic seizures, sudden unexpected death in epilepsy, SUDEP, mortality; epilepsy

ÜbersichtDagny Holle, Steffen Nägel, Hans-Christoph Diener und Mark Obermann, Essen

Frauenspezifische Therapie der Migräne

Typische Behandlungskonstellationen

Frauen sind etwa zwei- bis dreimal so häufig von einer Migräne betroffen wie Männer. Bei der Therapie der Migräne ergeben sich bei Frauen spezielle Fragestellungen, die eine Abweichung von der „normalen“ Migränetherapie verlangen. Hierzu zählen die Behandlung der menstruellen Migräne, die Therapie während Schwangerschaft und Stillzeit sowie in der Peri- und Menopause. Dieser Artikel fasst die Möglichkeiten der akuten und prophylaktischen medikamentösen Migränetherapie in diesen Therapiesituationen zusammen und weist auf spezifische Kontraindikationen und Nebenwirkungen der zur Verfügung stehenden Arzneimittel hin.
Arzneimitteltherapie 2015;33:288–94.

FlaggeEnglish abstract

Female-specific migraine therapy – typical treatment constellations

Women suffer twice to three times more often from migraine compared to men. Regarding the therapy of migraine, there are female-specific questions leading to a migraine therapy different to the „usual“ one. These clinical constellations comprise menstrual migraine, pregnancy and lactation as well as peri- and menopause. This article describes possibilities for acute and prophylactic drug treatment of migraine under these conditions and points out specific contraindications and important side effects of the available medication.

Key words: migraine, female-specific, menstruation, pregnancy, lactation, peri/menopause.

ÜbersichtUta Kiltz, Xenofon Baraliakos, Frank Heldmann und Jürgen Braun, Herne

Medikamentöse Therapie der axialen Spondyloarthritis

Aktuelle Aspekte

Unter dem Begriff axiale Spondyloarthritis (SpA) versteht man eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die als Hauptsymptom chronische Rückenschmerzen, meist vom entzündlichen Typ, und neben peripherer Arthritis und Enthesitis auch extraartikuläre Manifestationen, beispielsweise am Auge als anteriore Uveitis, aufweist. Die rheumatische Entzündung beginnt meist in den Sakroiliakalgelenken (SI-Gelenken) und kann im weiteren Verlauf zu charakteristischen Strukturveränderungen an der Wirbelsäule führen (sogenannte Syndesmophyten). Der Krankheitsverlauf ist heterogen. In der Klassifikation der axialen SpA unterscheidet man die ankylosierende Spondylitis (AS), die durch strukturelle Veränderungen in den SI-Gelenken im konventionellen Röntgenbild charakterisiert ist, von der sogenannten nicht-röntgenologischen axialen SpA (nr-axSpA), bei der definitionsgemäß keine derartigen Veränderungen vorliegen. In der Behandlung der axialen SpA ist die Kombination medikamentöser und nichtmedikamentöser Therapieformen wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Die Therapie basiert demnach auf einer unter Umständen kontinuierlichen Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und bei Patienten, die auf diese Standardtherapie nicht angesprochen haben, auf einer medikamentösen Behandlung mit Tumornekrosefaktor-alpha(TNF-α)-Blockern. Für die konventionellen medikamentösen Therapien liegen valide Daten vor allem für Patienten mit AS vor. Patienten mit nr-axSpA sind bislang vor allem in Studien mit TNF-Blockern untersucht worden. Als weitere Zytokine scheinen auch Interleukin (IL) 17A und IL-23 eine Rolle in der Pathogenese der SpA zu spielen. Bei vielen Patienten mit axialer SpA sind auch regelmäßig durchzuführende Bewegungsübungen und Physiotherapie indiziert.
Arzneimitteltherapie 2015;33:297–307.

FlaggeEnglish abstract

Drug therapy of axial spondyloarthritis – current aspects

Axial spondyloarthritis is a frequent chronic inflammatory disease that affects mainly the axial skeleton. The disease course is variable and characterized by spinal inflammation and ankylosis of the axial skeleton. The inflammatory process usually starts in the sacroiliac joints and may proceed to ankylosis and syndesmophytes in the spine. Patients can be classified as ankylosing spondylitis (AS) when they already have structural radiographic changes in the sacroiliac joints or, if not, as non-radiographic axial SpA (nr-axSpA). The main principle in treatment is the combination of pharmacological and non-pharmacological treatment options. The cornerstone of non-pharmacological treatment is regular exercise which is effective in reducing pain and to preserve functioning. Non-steroidal drugs are recommended as first-line drugs for patients and are recommended as to be taken continuously in patients with high disease activity. Patients who showed an inadequate response to NSAID might receive treatment with tumor-necrosis-factor inhibitor (TNFi). Most data regarding efficacy and safety of above mentioned treatment options has been studied in AS patients. Efficacy and safety of TNFi have been studied in patients with nr-axSpA solely. Interleukin (IL) 17A and IL-23 might play a role in the pathophysiology and agents against those cytokines are promising.

Key words: Spondyloarthritis, NSAR, tumor-necrosis-factor inhibitor, IL-17, IL-23

Klinische StudieProf. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Akuter ischämischer Schlaganfall

Systemische Thrombolyse im Zeitfenster zwischen 4,5 und 9 Stunden mit Desmoteplase nicht wirksam

Desmoteplase – gegeben als ein Bolus von 90 µg/kg in einem Zeitfenster zwischen 3 und 9 Stunden – ist beim akuten ischämischen Insult bei Patienten mit Verschlüssen intrakranieller Arterien nicht besser wirksam als Placebo.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Referiert & kommentiert: Aus Forschung und EntwicklungDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Diabetes mellitus Typ 2

Kein erhöhtes kardiales Risiko infolge einer Alogliptin-Therapie

Bei Patienten mit frisch aufgetretenen akuten Koronarsyndromen erhöhte eine Behandlung mit dem DPP4-Inhibitor Alogliptin nicht das Risiko für kardiale Ereignisse und Hospitalisierung.

Referiert & kommentiert: Aus Forschung und EntwicklungDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Hypercholesterolämie

Wirksamkeit und Sicherheit von Alirocumab

In Kombination mit einer Statin-Therapie in maximal verträglicher Dosierung konnte Alirocumab, verabreicht über 78 Wochen, bei Hochrisikopatienten die LDL-Cholesterolkonzentrationen signifikant senken. Außerdem zeichnete sich in einer Post-hoc-Analyse ab, dass Alirocumab vielleicht auch die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse reduziert.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg, Prof. Dr. Thomas Meinertz, Hamburg

Herzinsuffizienz plus Vorhofflimmern

Keine Prognoseverbesserung durch Betablocker

Betablocker gehören zur Standardtherapie herzinsuffizienter Patienten. Doch nicht alle Patienten profitieren: Betablocker können bei Patienten mit Herzinsuffizienz und zusätzlichem Vorhofflimmern – anders als bei Herzinsuffizienz-Patienten ohne diese Komorbidität – die Gesamtmortalitätsrate nicht vermindern. Das ist das Ergebnis einer retrospektiven Metaanalyse mit individualisierten Patientendaten aus Placebo-kontrollierten klinischen Studien.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Thomas Meinertz, Hamburg

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung

Roflumilast senkt Exazerbationsfrequenz bei Risikopatienten

Der Phosphodiesterase-4-Hemmer Roflumilast reduzierte in früheren Studien die Exazerbationsrate bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) unter einer Therapie mit langwirksamen Beta2-Agonisten. Nun konnte die Wirksamkeit von Roflumilast auch bei Hochrisiko-Patienten unter einer Kombinationstherapie aus inhalativen Glucocorticoiden und langwirksamen Beta2-Agonisten gezeigt werden. Roflumilast senkte bei diesen Patienten mit schwerer COPD und chronischer Bronchitis signifikant die Exazerbationsfrequenz und verbesserte die Lungenfunktion.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Petra Jungmayr, Esslingen

Metastasiertes kolorektales Karzinom

Erhaltungstherapie versus Observanz nach Induktionstherapie

Nach Abschluss einer Induktionstherapie führte eine anschließende Erhaltungstherapie zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben als eine behandlungsfreie Phase. Da die Gesamtlebensqualität unter der Erhaltungstherapie nicht beeinträchtigt wurde, erachten die Autoren der niederländischen CAIRO3-Studie dieses Vorgehen als bevorzugte Behandlungsoption beim metastasierten kolorektalen Karzinom nach Abschluss einer Induktionstherapie. Das Gesamtüberleben konnte durch die Erhaltungstherapie allerdings nicht signifikant verlängert werden.

Referiert & kommentiert: TherapiehinweiseDr. Petra Jungmayr, Esslingen

Mantelzelllymphom

Bortezomib-haltiges Regime bei nicht-transplantationsfähigen Patienten

Patienten mit einem neu diagnostiziertem Mantelzelllymphom, die nicht für eine Stammzelltransplantation infrage kommen, werden üblicherweise mit dem sogenannten Standard-Regime R-CHOP behandelt. Der Austausch von Vincristin durch Bortezomib im Standardregime führte in einer Phase-III-Studie zu einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens und zu erhöhten Ansprechraten. Allerdings traten vermehrt hämatotoxische Nebenwirkungen auf.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Polycythaemia vera

JAK-2-Inhibition mit Ruxolitinib ist ein wirksames Therapiekonzept

Die bisherige Standardtherapie bei Polycythaemia vera ist die Behandlung mit Hydroxycarbamid. Doch diese Therapie ist mit Einschränkungen verbunden. Für Patienten mit einer Intoleranz oder Resistenz gegenüber dieser Substanz steht jetzt der JAK-2-Inhibitor Ruxolitinib zur Verfügung. In der RESPONSE-Studie erwies sich der Wirkstoff bei Hydroxycarbamid-resistenten und -intoleranten Patienten der bestmöglichen Therapie hinsichtlich der Kontrolle des Hämatokritwerts und der Reduktion des Milzvolumens überlegen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden im Rahmen eines von der Firma Novartis veranstalteten Pressegesprächs im April 2015 vorgestellt.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenSimone Reisdorf, Erfurt, Prof. Dr. Ulrich Laufs, Homburg/Saar

Hypercholesterolämie

Alirocumab senkt LDL-Cholesterol in allen Zielgruppen deutlich

Patienten mit Hypercholesterolämie, die mit HMG-CoA-Reductasehemmern (Statinen) ihre Zielwerte für das LDL-Cholesterol nicht erreichen oder Statine nicht vertragen, und Menschen mit familiärer Hypercholesterolämie benötigen zusätzliche Therapieoptionen. Der PCSK9-Inhibitor Alirocumab hat in klinischen Studien die LDL-Cholesterolwerte aller drei Patientengruppen bei bisher guter Verträglichkeit deutlich gesenkt. Daten zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse müssen noch abgewartet werden. Die Ergebnisse wurden auf einem Symposium von Sanofi Aventis im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGiM) in Mannheim im April 2015 vorgestellt.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Ulrich Laufs, Homburg/Saar

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Nicht zugelassene Arzneimittel

Zwischen Patientenwohl und Evidenz

Wissenschaftliche Untersucher möchten verallgemeinerbares Wissen generieren und führen deshalb im Rahmen von Studien Behandlungen hypothesengetrieben und protokollgemäß durch. Der medizinisch ausgerichtete Behandler möchte dagegen im Verlauf einer Behandlung die individuelle Therapie stets so optimieren, dass der Patient den größtmöglichen Nutzen hat. Dieses Dilemma zwischen individuellem Patientennutzen und dem Nachweis von Evidenz lässt sich letztlich nicht auflösen, so das Ergebnis der 43. MSD-Diskussion am 19. April 2015 in Heidelberg.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Beate Fessler, München

Psoriasis und Psoriasis-Arthritis

Neuer Phosphodiesterase-4-Inhibitor erhöht cAMP und senkt entzündliche Zytokine

Etwa ein Drittel aller Patienten mit Plaque-Psoriasis entwickelt im Krankheitsverlauf eine Psoriasis-Arthritis. Mit dem Phosphodiesterase-4-Inhibitor Apremilast steht nun für die Haut- und die Gelenkmanifestation dieser chronisch entzündlichen Erkrankung ein neuer Immunmodulator für die orale Applikation zur Verfügung, der Placebo hinsichtlich der Krankheitskontrolle signifikant überlegen ist.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenDr. Danielle A. Stegmann, Stuttgart

Mittelschwere und schwere Psoriasis

Secukinumab – neuer Mechanismus und First-Line-Zulassung

Das umfassende Studienprogramm zu Secukinumab dokumentiert einen insgesamt starken, schnellen und anhaltenden Effekt der Substanz auf die Psoriasis-Symptome. Als erstes Biologikum wurde Secukinumab zur Erstlinientherapie der schweren und mittelschweren Psoriasis zugelassen. Im Rahmen der Cosentyx-Launch-Pressekonferenz von Novartis in Hamburg wurden die wichtigsten Daten zur Pathogenese der Psoriasis und zur neuen Therapieoption vorgestellt.

Referiert & kommentiert: Kongresse, Symposien, KonferenzenClaudia Borchard-Tuch, Zusmarshausen

Tuberöse Sklerose

Therapieoptionen mit mTOR-Inhibitoren

Die tuberöse Sklerose ist eine komplexe genetische Erkrankung, die bisher nicht heilbar ist. Auf dem von Novartis Oncology organisierten Symposium „mTOR-Inhibitoren bei tuberöser Sklerose“ stellten Experten im April 2015 mehrere Studien vor, in denen ein günstiger Effekt von mTOR-Inhibitoren auf die TSC-Symptomatik nachgewiesen worden war.

NotizenBettina Christine Martini, Legau

Wichtige Mitteilungen von EMA, FDA, BfArM und AkdÄ