Neue Ansätze in der Pharmakotherapie der Alkoholabhängigkeit


Karl Mann, Mannheim

In Deutschland gibt es rund vier Millionen Menschen mit behandlungsbedürftigen Alkoholproblemen. Rund zwei Millionen davon erfüllen die Kriterien einer Abhängigkeit, weitere zwei Millionen haben bereits somatische oder psychische Beeinträchtigungen aufgrund ihres Alkoholkonsums und werden daher mit dem Begriff des „schädlichen Gebrauchs“ diagnostiziert. Obwohl das deutsche Suchthilfesystem sehr gut ausgebaut ist und die abstinenzorientierte Rehabilitationsbehandlung in der Regel erfolgreich verläuft, nimmt eine sehr große Zahl von Betroffenen keine Hilfen in Anspruch. In den 2015 publizierten S3-Leitlinien zu „Screening, Diagnostik und Behandlung von alkoholbezogenen Störungen“ wird daher eine deutliche Ausweitung der Screening-Maßnahmen empfohlen, um bei mehr Patienten früher intervenieren zu können. Hierfür stehen gut evaluierte Vorgehensweisen im Sinne einer „ärztlichen Kurzintervention“ zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es eine Reihe medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten. Zwei Medikamente sind zur Erhaltung einer durch Entzugsbehandlung erzielten Abstinenz zugelassen. Während Acamprosat eine durch chronische Alkoholzufuhr gesteigerte glutamaterge Neurotransmission reduziert, blockiert Naltrexon als Opioidantagonist die verstärkenden („belohnenden“) Wirkungen des Alkohols. Sofern eine abstinenzorientierte Behandlung nicht möglich ist, kann als Zwischenschritt eine Trinkmengenreduktion angestrebt werden. Auch hierfür gibt es bewährte Beratungsangebote. Zusätzlich steht seit 2014 der Arzneistoff Nalmefen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Antagonisten am µ- und δ-Opioidrezeptor und partiellen Agonisten am κ-Rezeptor. Studien mit über 2000 Patienten haben gezeigt, dass eine Trinkmengenreduktion bei Alkoholabhängigen über längere Zeit konstant möglich ist, wobei auch schon die Placebo-Bedingungen verbunden mit einem regelmäßigen Beratungsangebot erfolgreich waren. Beratung plus Nalmefen war diesem Angebot nochmals signifikant überlegen.
Arzneimitteltherapie 2015;33:407–13.

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