Dr. Holger Wegner, München
[Foto: privat]
Haben wir uns nicht in der Palliativmedizin auf die Fahne geschrieben, den ganzen Menschen zu betrachten und teilweise unkonventionell (weil meist off Label) und individuell behandeln zu können? Bedeutet nun die S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ eine Beschränkung?
Nein, das denke ich nicht! Wenn man die Leitlinie als Richtschnur wahrnimmt, an der sich entlanghangeln lässt und dabei der Blick nach links und rechts möglich bleibt. Der aus meiner Sicht große Fortschritt dabei ist auch, dass die Palliativmedizin offiziell Einfluss in die Onkologie gefunden hat und nicht (mehr) ignoriert werden kann.
Schließlich ist es auch gar nicht notwendig, dass sich immer reine „Palliativspezialisten“ der Patienten annehmen. Der behandelnde Onkologe ist in vielen Fällen gemeinsam mit dem Hausarzt der erste Ansprechpartner für palliativmedizinische Fragestellungen. Die Leitlinie kann die Therapie beeinflussen und Sicherheit geben. Aber sie öffnet hoffentlich auch darüber hinaus das Bewusstsein für palliativmedizinische Belange und macht hellhörig.
In der Betreuung von Todkranken und ihren Familien spielen Medikamente oft eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es für die Betroffenen darum, mit ihren Wünschen und vor allem Ängsten gehört und wahrgenommen zu werden. In vielen Fällen stoßen Onkologen und Hausärzte hierbei aber an ihre Grenzen und sind überfordert. Dies ist keine Schande, sondern vor allem den äußeren Zwängen wie Überlastung und mangelnder Zeit geschuldet. Ich kann daher nur motivieren und appellieren, nicht den „starken Max“ zu mimen und alles allein machen zu wollen. Holen Sie sich die Hilfe und Unterstützung nicht nur für Ihre Patienten, sondern auch für sich selbst. Palliativstationen, stationäre Hospize, Konsildienste und ambulante Palliative-Care-Teams als professionelle Helfer sowie Hospizdienste mit ehrenamtlichem Engagement sind in den meisten Regionen verfügbar und an Kooperationen interessiert.
Wichtig ist aber das Zusammenspiel. Denn so wie der Onkologe Offenheit gegenüber der Palliativmedizin haben sollte, sollen die palliativ Tätigen onkologische Maßnahmen kennen und sie nicht von vornherein verteufeln. Die Devise muss also lauten: Geht respektvoll aufeinander zu und agiert gemeinsam!
In vielen Fällen funktioniert dies sicher schon gut, aber es kann immer noch besser werden! Das Potenzial ist groß. Es gibt schließlich nicht nur onkologische Patienten, die von palliativmedizinischem Wissen profitieren würden. Eine Leitlinie kann auf diesem Weg ein wichtiger Baustein sein. Daher kann ich andere Fachgesellschaften (Kardiologie, Nephrologie, Pulmonologie, Neurologie, …) nur aufrufen, nachzulegen!
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