Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Fast täglich können wir im Internet, in den sozialen Medien, in Zeitschriften und Zeitungen und im Fernsehen bemerkenswerte, überraschende und zum Teil dramatische Neuigkeiten aus der medizinischen Grundlagenforschung und der Epidemiologie lesen oder betrachten.
Um die Aufmerksamkeit einer großen Öffentlichkeit zu erhaschen, werden dann häufig Behauptungen gemacht, die sich zum jetzigen Zeitpunkt und auch später nicht belegen lassen. Typische Beispiele sind Ergebnisse aus Zellkulturen, aus Tierexperimenten oder aus großen genetischen Studien, die molekulare oder biologische bzw. genetische Zusammenhänge zwischen einer bestimmten Krankheit und einem bestimmten Mechanismus nachweisen können. Dann erfolgt aber leider häufig die unzulässige Schlussfolgerung, dass es nur eine Frage von Monaten und Jahren ist, bis diese bisher nicht oder nur schwer zu behandelnde Krankheit erfolgreich behandelt werden kann. Folgt man den Pressemeldungen der letzten 30 Jahre, müssten daher Morbus Alzheimer und maligne Tumoren ausgerottet sein. Dies gilt auch für die Behauptung, dass die kurative Therapie neurogenerativer Erkrankungen wie die des Morbus Parkinson unmittelbar bevorstehe. Wir erinnern uns mit Grausen daran zurück, wie vor 30 Jahren versprochen wurde, dass die Gentherapie alle lebensbedrohlichen Erkrankungen heilen würde. Eine ähnliche Euphorie wurde in den letzten zehn Jahren mit der Stammzellentherapie hervorgerufen.
Eine zweite Unsitte ist es, aus epidemiologischen Assoziationsstudien Rückschlüsse auf erfolgreiche Therapien zu ziehen. Beispielsweise wurden in der Epidemiologie des M. Alzheimer geringere Häufigkeiten und ein langsamerer Verlauf beobachtet, wenn Patienten mit nichtsteroidalen Antirheumatika, Vitamin E, Thrombozytenfunktionshemmern oder einem Statin behandelt wurden. Dies hat dann bereits viele Patienten und ihre Angehörigen veranlasst, eine entsprechende Therapie zu verlangen. Die dann in der Folgezeit durchgeführten Placebo-kontrollierten Studien waren alle negativ. Auch hier ist Sorgfalt im Umgang mit der Öffentlichkeit notwendig. Es ist wichtig, wenn Assoziationen zwischen bestimmten Umweltfaktoren oder Begleittherapien und einer neurodegenerativen Erkrankung gefunden werden. Die Öffentlichkeit und potenzielle Patienten und ihre Angehörigen sollten allerdings immer darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies keine unmittelbaren therapeutischen Konsequenzen hat, bis der Zusammenhang und eine Beeinflussung durch eine entsprechende Therapie durch prospektive randomisierte Studien belegt ist.
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