Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
[Foto: privat]
Schon im Talmud, dem bedeutendsten Schriftwerk des Judentums aus dem 2. Jahrhundert, findet die Hämophilie bereits Erwähnung, wenn auch nur indirekt. Denn darin heißt es: Wenn eine Mutter den ersten und den zweiten Sohn im Rahmen der rituellen Beschneidung verliert, so entfällt die Pflicht zur Beschneidung bei weiteren Söhnen, unabhängig davon, ob es sich um denselben Vater handelt oder nicht. Damit wird auch bereits der X-chromosomal-rezessive Erbgang skizziert: Allein die Mutter überträgt die Erkrankung nur an männliche Nachkommen, der Vater ist nicht beteiligt. In der Vergangenheit litten überdurchschnittlich viele Mitglieder des europäischen Hochadels an Hämophilie, weshalb die Erkrankung auch den Namen „Krankheit der Könige“ erhielt. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang die ursächliche Erklärung dahingehend, dass es sich um eine genetische Störung handelt, die zu einem Mangel an funktionstüchtigem Gerinnungsfaktor VIII führt. In den 50er-Jahren begann die Substitutionsbehandlung zunächst mit Vollblut, später mit Plasma und zuletzt mit gentechnologisch hergestellten Faktor-VIII-Präparaten. Zugleich wechselte die Behandlungsstrategie von der Anlass-bezogenen, bedarfsadaptierten Gabe zur prophylaktischen Dauertherapie.
Doch die Substitutionstherapie ist mit einer Reihe von Problemen assoziiert. So muss das Präparat mindestens zweimal wöchentlich intravenös appliziert werden. Außerdem bilden etwa 25 bis 30% der Patienten Inhibitoren. Sie schwächen die Wirksamkeit der Substitution ab oder heben sie sogar vollständig auf, sodass nur noch die Möglichkeit der Bypass-Medikation besteht. Um diese Probleme zu umgehen, wurden in den letzten Jahren neue Therapiestrategien entwickelt, die in absehbarer Zeit einen Paradigmenwechsel bei der Therapie der Hämophilie einleiten dürften, so das Fazit der Jahrestagung der International Society on Thrombosis and Haemostasis (8.–13. Juli 2017 in Berlin). Dazu gehören der Antikörper Emicizumab, das RNAi-therapeutische Targeting-Antithrombin Fitusiran und die Gentherapie.
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