PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom: Schöne neue Welt!


Aus Expertensicht

Nikolaus de Gregorio, Ulm, Arzneimitteltherapie 2018;36:346-7.

Das Ovarialkarzinom unterscheidet sich – im Vergleich zu anderen soliden peritoneal-metastasierenden Tumoren wie dem Pankreas- oder Magenkarzinom – wesentlich sowohl bei der Prognose als auch bei der Tumorbiologie: Das Gesamtüberleben ist deutlich länger als bei den meisten anderen metastasierten Erkrankungen, zudem ist die Entität äußerst chemosensitiv und das häufig über multiple Linien.

Trotzdem führt das fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms auch im Jahre 2018 in der Mehrheit der Fälle zum Tod der Patientin. Der Erfolg einer Therapie ergibt sich – wenn auch kontrovers diskutiert – aus dem in den meisten klinischen Studien als Endpunkt verwendeten progressionsfreien Überleben (PFS), also der Zeit von Therapieende bis zum nächsten Rezidiv.

Die Arzneimittelentwicklung in klinischen Studien beim Ovarialkarzinom war bis zum Jahr 2011 eine ernüchternde Angelegenheit: War bereits eine Dekade zuvor mit der Kombination Carboplatin/Paclitaxel eine effektive Wirkstoffkombination für adjuvante Chemotherapie gefunden worden, waren danach alle Versuche einer Erhaltungs(chemo)therapie, die Addition oder den Austausch durch einen weiteren Wirkstoff ohne Nutzen für die Patientin gewesen. Erst mit der Zulassung von Bevacizumab konnte erstmals ein PFS-Vorteil im Bereich von zwei bis drei Monaten erreicht werden.

Vor diesem Background muss die Marktzulassung der PARP-Inhibitoren als echte Revolution gesehen werden: Plötzlich zeigten sich bis zu vierfach verbesserte PFS-Werte in der Rezidivsituation mit einem schier unglaublichen Hazard-Ratio von 0,18. Dieser beeindruckende Effekt war zunächst – wie erwartet – bei den BRCA-mutierten Patientinnen beobachtet worden, was man dem attribuierten Wirkungsmechanismus zuschrieb. Allerdings zeigte sich auch bei Patientinnen mit Wildtyp-BRCA immer noch ein deutlicher Effekt, was vermutlich auf einen zusätzlichen Wirkungsmechanismus hinweist. Tatsächlich war der Effekt in allen untersuchten Subgruppen nachweisbar.

Als Caveat muss allerdings noch erwähnt werden, dass es sich beim untersuchten Patientenkollektiv um eines mit relativ günstiger Prognose handelt: nämlich Patientinnen mit High grade serösem Ovarialkarzinom (ca. 70 bis 80 % aller Karzinome), die bereits auf eine Platin-haltige Chemotherapie angesprochen haben müssen.

Erkauft wurde diese Wirkung mit einem relativ moderaten Toxizitätsprofil, das im klinischen Alltag beherrschbar ist. Dies ist umso wichtiger, da Erhaltungstherapien üblicherweise in ein eigentlich therapiefreies Intervall fallen, in dem die Patientinnen die beste Lebensqualität haben, bevor es beim Rezidiv durch eine erneute Chemotherapie zu einem deutlichen Lebensqualitätsverlust kommt. Fatal wäre hier eine Reduktion der Lebensqualität durch die Erhaltungstherapie, was in den Studien zu den PARP-Inhibitoren jedoch nicht der Fall war.

Aktuell sind in Europa zwei (Olaparib und Niraparib), in den USA drei PARP-Inhibitoren (zusätzlich Rucaparib) zugelassen, weitere Substanzen werden derzeit in Phase-III-Studien untersucht. Hinsichtlich der Wirksamkeit gibt es keinen Head-to-Head-Vergleich. Dieser wird aufgrund fehlenden Interesses der Industrie vermutlich auch nie durchgeführt werden. Soweit man aber die Studien vergleicht, in denen meist ein ähnliches Patientenkollektiv untersucht wurde, scheinen die Hazard-Ratios erstaunlich ähnlich zu sein, sodass zumindest eine ähnliche Wirksamkeit der Substanzen postuliert werden muss. Lediglich beim Nebenwirkungsprofil sind deutliche Unterschiede auszumachen: Während Thrombozytopenie ein Merkmal von Niraparib ist, scheint es bei Olaparib häufiger zu gastrointestinalen Nebenwirkungen zu kommen. Der Autor fühlt sich bei der aktuellen Diskussion allerdings etwas an die Situation mit den Aromatasehemmern beim Mammakarzinom von vor zehn Jahren erinnert: Hier wurden durch die pharmazeutische Industrie bei ähnlicher Wirksamkeit von drei Produkten häufig etwas artifiziell wirkende Unterscheidungsmerkmale („bessere Knochengesundheit“) aus kommerziellen Gründen „herbeigeredet“.

Aktuell werden die ersten Phase-III-Daten zur Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren in der First-Line- oder adjuvanten Therapie erwartet: Als Erhaltungstherapie nach Carboplatin/Taxol in Kombination mit Bevacizumab würde es überraschen, wenn die PARP-Inhibition nicht auch hier ein sehr wirksames Konzept wäre und es zu einer Zulassung käme.

Zudem werden die ersten Daten zur PARP-Inhibiton nach der PARP-Inhibition – also eine PARP-Inhibitor-Reexposition – mit Spannung erwartet. Nachdem schon in den Zulassungsstudien beobachtet worden war, dass durch PARP-Inhibition ein Effekt über das nächste Rezidiv hinaus bis in die nächste Therapielinie und zum nächsten Rezidiv beobachtet worden war, scheint für den Autor klar, dass hier ein Benefit für die Patientinnen zu erwarten ist.

Aktuelle anlaufende und rekrutierende Studien gehen allerdings schon einen Schritt weiter: Hier erfolgt eine Kombination von PARP-Inhibitoren mit einer oder mehreren zielgerichteten Substanzen wie Antiangiogenese-Inhibitoren oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren (PD1/PD-L1) entweder zusammen mit Chemotherapie, oder als reine „targeted therapy“: Hier konnte in einer Phase-II-Studie beispielsweise durch eine Zweierkombination ein ähnlicher Effekt wie durch eine Chemotherapie erreicht werden. Erste Daten lassen auch eine Wirksamkeit beim Platin-refraktären Ovarialkarzinom erwarten, einer sonst sehr schwierig zu therapierenden Entität mit einer sehr ungünstigen Prognose. Allerdings mag zukünftig hier die zu erwartende Kostenexplosion der limitierende Faktor sein. In anderen europäischen Ländern werden schon jetzt nur einmalig die Kosten für eine zielgerichtete Therapie beim Ovarialkarzinom übernommen bzw. bekommt jede Patientin nur überhaupt eine Rezidivtherapie erstattet!

Trotz allem: Auch mit der PARP-Inhibition werden die Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom nicht geheilt. Dieses ultimative Ziel scheint bisher nicht erreichbar, auch wenn durch PARP-Inhibition die Krankheit schon fast zu einer chronischen Erkrankung geworden ist.

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