Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Nun ist es endlich da! Von den einen gewünscht, ja geradezu herbeigesehnt als sinnvolles Instrument zur Optimierung des Diabetes-Managements, von den anderen strikt abgelehnt und als Staatsmedizin verteufelt. Die Rede ist vom Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes mellitus.
Die Erfinder – Politiker, Gesundheitsberater und Krankenkassen – wollen mit diesem Instrument gleichzeitig zwei Ziele verfolgen, nämlich eine Optimierung der Versorgung bei gleichzeitiger Kostenreduzierung. Doch vieles spricht dafür, dass es sich dabei um inverse Ziele handelt; denn eine bessere Behandlung dürfte zunächst einmal höhere Therapiekosten zur Folge haben. Ob durch die Verhinderung von Spätkomplikationen langfristig Einsparungen zu erreichen sind, wird sich erst zeigen müssen.
Der Streit über Details des DMP geht, wie die vielfältigen Diskussionsbeiträge bei der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft zeigen, mit unveränderter Schärfe weiter. Umstritten ist nicht nur der Ziel-HbA1c-Wert, sondern auch der Weg dorthin, also das Spektrum der einsetzbaren Medikamente. Und gerade hier dürften die eigentlichen Probleme beginnen, nämlich wenn es darum geht, die Empfehlungen des DMP in die alltägliche Praxis umzusetzen.
Frei nach Brecht könnte man sagen: DMP soll nicht die Weisheit anhäufen, sondern dem Irrtum eine Grenze setzen. So ist es durchaus sinnvoll, primär den Einsatz nur solcher Medikamente zu empfehlen, deren Nutzen und Sicherheit in prospektiven, randomisierten, kontrollierten Langzeitstudien nachgewiesen ist. Deshalb werden für die Monotherapie auch nur drei Wirkstoffgruppen zur Blutzucker senkenden Behandlung empfohlen, nämlich Schweine- oder Human-Insulin, der Sulfonylharnstoff Glibenclamid und das Biguanid Metformin, Letzteres insbesondere für adipöse Patienten. Gleichzeitig werden damit aber eine Reihe innovativer Substanzen – Acarbose, Glinide, Glitazone und Insulin-Analoga – ausgegrenzt. So wird erwartet, dass innerhalb der nächsten drei Jahre bei mehr als 70 % der Patienten eine Umstellung auf die genannten Substanzen erfolgt, ansonsten droht die Regressfalle.
Sicher werden viele Ärzte diese strengen Empfehlungen als wesentlichen Eingriff in die Therapiefreiheit empfinden. Auch muss befürchtet werden, dass damit Diabetiker von innovativen Therapiestrategien ausgeschlossen bleiben.
Doch sind durch die Vorgaben des DMP wirklich andere Wirkstoffe grundsätzlich von der Verordnung ausgeschlossen? Kurze Antwort: Nein. Denn der Verordnungstext lässt zwei wesentliche Ausnahmen zu, wobei jedoch bestimmte Voraussetzungen bei Verwendung nicht genannter Medikamente erfüllt sein müssen. Dazu gehören:
- Kontraindikationen gegen einen Sulfonylharnstoff oder Metformin
- Patientenpräferenz
- Information des Patienten zur Frage der Risikoreduktion klinischer Endpunkte
Somit bleibt ein Hintertürchen, die beim einzelnen Patienten bewährten Medikamente weiterhin zu verordnen. Um bei einer externen Therapieüberprüfung die Beantwortung eventueller Fragen nach der Indikation solcher Substanzen zu erleichtern, empfiehlt sich allerdings eine genaue Dokumentation, aus der die im Einzelfall zur Verordnung führende Indikation nachvollzogen und die erfolgte Aufklärung über die noch ausstehende Risikoreduktion klinischer Endpunkte nachgewiesen werden kann. Sicher ein enormer bürokratischer Aufwand. Doch Sie werden ihn erbringen müssen, wenn Sie der Meinung sind, dass die bisherige Behandlung auch unter dem Gesichtspunkt der Lebensqualität für Ihren Patienten genau das Richtige war, und deshalb keinen Anlass sehen, die bewährte Medikation zu verändern. Nur so können Sie einem drohenden Regress entgehen. Das Kürzel DMP steht eben auch für „Diese Menge Papier“.
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