Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Dabei sein ist alles! Entsprechend dieses olympischen Mottos hatten sich über 20 000 Kardiologen aus der ganzen Welt Ende August/Anfang September 2004 zum europäischen Kardiologenkongress in München versammelt. Geboten wurde eine umfassende Leistungsschau, die alle Facetten dieses Fachgebiets umfasste: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bieten, und jeder geht zufrieden aus dem Haus!
Vergeben wurde jedoch nur eine Goldmedaille, und zwar an den irischen Gesundheitsminister in Anerkennung seines besonderen Engagements bei der Prävention; denn Irland hat als erstes europäisches Land Ende März 2004 ein generelles Rauchverbot an allen Arbeitsplätzen und auch in Nachtbars und Restaurants erlassen. Deutschland ist bei der Prävention sicher noch lange nicht medaillenreif.
Citius, fortius, altius – schneller, weiter, höher: Diese olympische Maxime gilt auch für den Fortschritt in der Kardiologie. Schnelligkeit ist insbesondere bei der Behandlung des ST-Hebungsinfarkts angezeigt; denn hier beginnt immer ein Wettlauf mit der Zeit. Eindeutiger Sieger im Wettstreit um die optimale Therapie ist unbestritten die Sofort-PTCA, vorausgesetzt der Eingriff kann innerhalb von 90 Minuten nach der Aufnahme durchgeführt werden.
Weiter gekommen ist man bei der Zelltransplantation, mit der man die Infarktnarbe mit neuem Herzmuskelgewebe zu ersetzen versucht. Doch die Fortschritte sind „babysteps“ – klein, unsicher und von Rückschlägen nicht verschont. Auch bei der Prävention sind weitere neue Perspektiven in Sicht, zum Beispiel die Substanz Rimonabant, die in das Endocannabinoid-System eingreift und zugleich Übergewicht, Nicotinsucht und Stoffwechselparameter günstig beeinflussen soll. Ob die Wunderpille das hält, was sie verspricht, wird sich erst zeigen müssen.
Höher werden sicherlich die Kosten steigen; denn bei der zur Zeit kränkelnden Volkswirtschaft in Deutschland muss schon die Frage erlaubt sein: Wer soll das bezahlen? Allein die breite Anwendung beschichteter Stents und die Implantation eines automatischen Defibrillators bei allen dafür in Frage kommenden Patienten dürfte Unsummen verschlingen. Doch den Fortschritt einfach zu verbieten, da er nicht mehr bezahlbar ist, geht ja auch nicht. Das Gespenst der Rationierung, also einer Zweiklassenmedizin, steht im Raum, auch wenn keiner laut darüber redet.
Von besonderem Interesse und zugleich hohem Unterhaltungswert ist der Wettkampf unter den Zelltherapeuten. Während die einen fest davon überzeugt sind, dass die Myoblasten aus der quergestreiften Skelettmuskulatur das Rennen machen werden, glauben die anderen an die Stammzellen aus dem Knochenmark und diffamieren Erstere wegen ihrer potenziell arrhythmogenen Wirkung als trojanische Pferde. Ein Sieger ist noch nicht in Sicht.
Besonders lebhaft, um nicht zu sagen aggressiv, geht es beim Thema „Kalk-Screening mit Computertomografie“ zu. Unversöhnlich stehen sich Befürworter und Ablehner wie in einem Boxring gegenüber. Von den einen als Gelddruckmaschine ohne medizinische Sinnhaftigkeit verteufelt, von den anderen als sinnvolle Strategie zur Individualisierung und Optimierung der Prävention gepriesen, verfolgt der Beobachter irritiert das Spiel.
Olympia gibt es nur alle vier Jahre. Doch die Olympioniken in Sachen Kardiologie treffen schon bald wieder aufeinander, nämlich im November beim Kongress der American Heart Association in New Orleans. Mal sehen, wer dort als Gewinner und Verlierer vom Platz geht. Doch bei der Vielzahl solcher großen kardiologischen Kongresse drängt sich, zumal die kleinste veröffentlichungswürdige Informationseinheit zunehmend schrumpft, zumindest gelegentlich der Eindruck auf: Weniger könnte auch mehr sein!
Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
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