Anämien führen zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Bei Krebspatienten beruhen sie häufig auf einer Blutbildungsstörung als Folge einer „Tumoranämie“, einer Knochenmarkinfiltration oder therapeutischer Maßnahmen. Zur Behandlung der Chemotherapie-induzierten Anämie sind in Deutschland die Erythropoetin-Präparate Epoetin alfa, Epoetin beta und Darbepoetin alfa zugelassen. In zahlreichen kontrollierten Studien ließ sich mit diesen Substanzen bei einem Abfall der Hämoglobin-Konzentration unter 11 g/dl bei etwa zwei Dritteln der Patienten ein Hämoglobin-Anstieg um mindestens 2 g/dl erreichen. Der Anstieg erfolgte innerhalb eines Zeitraums weniger Monate und ging mit einer messbaren Verbesserung der Lebensqualität einher. In der Strahlentherapie wurde Erythropoetin mit dem Ziel eingesetzt, über eine verbesserte Tumoroxygenierung eine Effizienzsteigerung dieser sauerstoffabhängigen Therapiemodalität zu erreichen. Wider Erwarten zeigten sich jedoch in einer randomisierten Studie im Erythropoetin-Arm schlechtere Behandlungsergebnisse als im Kontrollarm. Pharmakoökonomische Analysen weisen darauf hin, dass die Behandlung mit Erythropoetin wesentlich kostenintensiver ist als die alternativ in Frage kommende Transfusionstherapie, die in der Regel allerdings erst bei stärkeren Anämiegraden eingesetzt wird. Vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen in unserem Gesundheitssystem muss die Indikation zur Erythropoetin-Therapie anhand der Ansprechwahrscheinlichkeit, der erwarteten Notwendigkeit, Verträglichkeit und Dauer einer Transfusionstherapie, der onkologischen Prognose und anderer Faktoren individuell gestellt werden.
Arzneimitteltherapie 2004;22:336-42.