Medikamentöse Therapie beim akuten Lungenversagen: Mehr Mythen als Fakten


Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Siemens-Pressebild

Das akute Lungenversagen im Rahmen eines Schocks oder einer Sepsis gehört zu den alltäglichen Herausforderungen der Intensivmedizin. Trotz gewisser Fortschritte ist die Letalität mit 40 % weiterhin sehr hoch.

Heute weiß man, dass hohe Tidalvolumina, hohe Beatmungsdrücke und rezidivierendes Kollabieren und Wiedereröffnung der Atemwege einen Lungenschaden induzieren oder verstärken können. Doch wie niedrig das Tidalvolumen und wie hoch der PEEP (= positiv endexspiratorischer Druck) sein müssen, ist bisher nicht bekannt, so Prof. Rolf Rossaint, Aachen, im Rahmen des Seminarkongresses „Interdisziplinäre Intensivmedizin“ (Garmisch-Partenkirchen, 4.–9. März 2007). Empfehlenswert sind ein Tidalvolumen von 6 bis 8 ml/kg und ein PEEP von 10 bis 15 cm H2O. Ebenso wenig geklärt ist, ob der Beatmungsmodus (z. B. Volumen- oder Druck-kontrolliert) die Überlebensrate beeinflusst. Darüber hinaus sollte die invasive Beatmung so früh als möglich beendet werden, um das Risiko einer Ventilator-assoziierten Pneumonie zu minimieren.

Wichtig sind auch adjuvante physikalische Maßnahmen. Dazu gehört die Bauchlagerung, die bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit einem akuten Lungenversagen zu einer Verbesserung der Oxygenierung führt, und zwar durch eine homogenere Belüftung der Lunge. Ein Anstieg der Überlebensrate als Folge der Bauchlagerung konnte aber bisher nicht dokumentiert werden.

Wie sieht es mit medikamentösen Therapiestrategien aus? Zunächst konnte gezeigt werden, dass eine tägliche Unterbrechung der Analgosedierung während der Beatmung die Beatmungsdauer und auch die Verweildauer auf der Intensivstation reduziert. Darüber hinaus sollte, so Prof. Klaus Lewandowski, Essen, möglichst frühzeitig eine enterale Ernährung angestrebt werden. Dagegen kann eine Surfactant-Therapie bei erwachsenen Patienten derzeit nicht empfohlen werden. Gleiches gilt für inhalierbares Stickstoffmonoxid, da in einer Reihe randomisierter kontrollierter Studien kein Nutzen bezüglich Letalität und Dauer der Beatmung gezeigt werden konnte. Ähnlich steht es mit Prostaglandin E1, und auch andere Substanzen wie Acetylcystein und Lisofyllin sind wirkungslos, um nicht zu sagen sinnlos.

Ein weiteres häufig propagiertes Therapieprinzip ist die Behandlung mit Beta-2-Rezeptoragonisten wie Salbutamol. Bewiesen ist, dass diese Wirkstoffe die pulmonale Neutrophilen-Sequestration und -aktivierung reduzieren, zur Rückbildung des Lungenödems beitragen, die Surfactant-Sekretion steigern und Entzündungs- und Gerinnungsvorgänge vorteilhaft modulieren. Ihr klinischer Nutzen wird aber erst nach Abschluss einer laufenden Phase-III-Studie zu beurteilen sein.

Somit bleibt als gesichertes Therapieprinzip nur die Gabe von Methylprednisolon in fortgeschrittenen Stadien des akuten Lungenversagens. Für diese Substanz ist eine signifikante und vorteilhafte Wirkung auf den arteriellen Blutdruck, den pulmonalen Gasaustausch und die Beatmungsdauer bewiesen. Allerdings konnte die Sterblichkeitsrate nach 2 bis 6 Monaten nicht reduziert werden. Entwickelt sich das akute Lungenversagen im Rahmen einer schweren Sepsis, kann der Einsatz von aktiviertem Protein C erwogen werden.

Die ernüchternde Erkenntnis lautet: Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten beim akuten Lungenversagen sind sehr begrenzt. Es sind zur Zeit keine neuen Medikamente in Sicht. Es bleibt als wichtigste Strategie die Prävention, durch eine frühzeitige adäquate Therapie einer Sepsis oder eines Schocks.

Und eine wesentliche Verbesserung der Prognose scheint wohl nur durch die konsequente Anwendung moderner Beatmungsstrategien zu erreichen zu sein.

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