Prof. Dr. med. Kurt Kochsiek, Würzburg
Abb. 1. Vergleich der Wirksamkeit von Telmisartan vs. Ramipril vs. Telmisartan plus Ramipril bei Hochrisikopatienten mit kardialen, zerebro-vaskulären oder peripher-vaskulären Erkrankungen oder Diabetes mellitus mit Endorganschäden: Im primären Endpunkt – kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz – wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt (Telmisartan vs. Ramipril p = 0,83; Kombination vs. Ramipril p = 0,38) [nach Yusuf S, et al. Telmisartan, ramipril, or both in patients with high risk for vascular events. N Engl J Med 2008;358:1547–59]
Nachdem die Bedeutung der Peripherie und besonders der neurohumoralen Mechanismen für die Entwicklung und den Verlauf der Herzinsuffizienz erkannt worden war, stellte die Einführung der ACE-Hemmer einen Meilenstein für die Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen dar.
Das Proteohormon Angiotensin II ist eine der stärksten blutdrucksteigernden Substanzen, die aber nicht nur direkt vasokonstringierend wirkt, sondern auch durch Freisetzung von Catecholaminen aus dem Nebennierenmark, durch Erleichterung der Noradrenalin-Freisetzung aus sympathischen Nervenendigungen und durch Erhöhung des Sympathikotonus vasokonstringierende Effekte besitzt. Darüber hinaus kommt es durch eine therapeutische Reduktion der Angiotensin-II-Bildung zu einer durchaus erwünschten schwachen diuretischen Wirkung infolge einer verringerten Aldosteron-Freisetzung. Weiterhin verzögern ACE-Hemmer bekanntlich den Abbau von vasodilatierend wirkenden Kininen, deren Anstieg zur antihypertensiven Wirkung beiträgt. Gleichzeitig lösen diese Peptide, Bradikinin und Kallidin, aber den Reizhusten als häufigste Nebenwirkung der ACE-Hemmer bei 5 bis 10 % der Patienten aus.
Wegen dieser Beschränkung der therapeutischen Anwendung und da außerdem andere, zum Teil lokale Enzymsysteme sich der Konversionshemmung zu entziehen vermögen (Angiotensin-Escape-Phänomen), und damit trotz der Hemmung geringe Mengen von Angiotensin II noch wirksam bleiben, wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Angiotensin-II-Wirkung auf Rezeptorebene auszuschalten. Diese vollständige Ausschaltung der Angiotensin-II-Wirkung ist durch Blockade des AT1-Rezeptors mit der Substanzgruppe der Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, der „Sartane“, gelungen. Gleichzeitig wird damit die Hemmung des Bradikinin-Abbaus und damit die häufigste Nebenwirkung der ACE-Hemmer-Therapie, der Reizhusten, vermieden.
In mehreren großen klinischen Studien wurden zum Teil vergleichend die Vor- und Nachteile der ACE-Hemmer- und der Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten-Therapie untersucht, zuletzt in der kürzlich publizierten ONTARGET-Studie [N Engl J Med 2008;358:1547–59]. In dieser bisher größten dreiarmigen Multicenterstudie an 733 Zentren in 40 Ländern mit einem durchschnittlichen Nachuntersuchungszeitraum von 56 Monaten, also knapp 5 Jahren, wurden prospektiv doppelblind und randomisiert nach einschleichender Dosierung Telmisartan (80 mg/d) versus Ramipril (10 mg/d) versus eine Kombination von Telmisartan (80 mg/d) und Ramipril (10 mg/d) untersucht. Eingeschlossen waren Hochrisikopatienten mit kardialen, zerebro-vaskulären oder peripher-vaskulären Erkrankungen oder Diabetes mellitus mit Endorganschäden.
Die Ergebnisse im primären Endpunkt (kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz) und die Ergebnisse im sekundären Endpunkt (neu aufgetretene Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Vorhofflimmern, Demenz, Nephropathie, Revaskularisierung) waren in allen drei Armen identisch (Abb. 1). Allerdings kam es unter Ramipril im Vergleich zu Telmisartan häufiger zu Husten und Angioödem, unter Telmisartan dagegen häufiger zu Hypotonien. Im Vergleich zu Ramipril kam es unter der Kombinationstherapie häufiger zu Hypotonien, Synkopen und Nierenfunktionsstörungen. Insgesamt hielten sich die verschiedenen Nebenwirkungen in allen drei Armen in etwa die Waage.
Mit dieser bisher größten vergleichenden Studie von ACE-Hemmung und AT1-Blockade mit Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und der Kombination von beiden Ansätzen konnten die Ergebnisse früherer Studien (ELITE, OPTIMAAL, VALIANT und HOPE) auf einer breiten Basis bestätigt werden. Vereinzelte Abweichungen waren auf unterschiedliche Dosierungen und variierende Patientengruppen zurückzuführen.
Wie ist der derzeitige Wissensstand zum Therapieregime mit ACE-Hemmern und Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten für die Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen zu beurteilen? Alle vorliegenden Studien sprechen für eine „Nichtunterlegenheit“ (noninferiority) der einen gegenüber der anderen Substanzklasse. Keine der beiden Substanzklassen kann für sich beanspruchen, der „Goldstandard“ zu sein. Für die Indikation kardiovaskulärer Erkrankungen können beide Substanzklassen mit gleicher therapeutischer Wirksamkeit eingesetzt werden. Dabei zeichnen sich Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten durch geringere subjektive Nebenwirkungen aus – vor allem weniger Reizhusten. Allerdings treten häufiger Hypotonien auf. ACE-Hemmer haben den großen Vorteil, kostengünstiger zu sein. Sie sollten deshalb am Beginn der Therapie stehen. Beim Auftreten von Nebenwirkungen kann auf Angiotensin- II-Rezeptorantagonisten umgesetzt werden. Die Vermutung einer Wirkungssteigerung durch eine Kombinationstherapie mit beiden Substanzen konnte auch für Hochrisikopatienten bisher nicht bestätigt werden. Dass bei der Indikation Herzinsuffizienz für beide Substanzgruppen eine „einschleichende Dosierung“ einzuhalten ist, muss streng beachtet werden. Leider existieren noch keine vergleichenden Untersuchungen für die Indikation Hypertonie.
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