Behandlung der Hypertonie des älteren Patienten


Prof. Dr. med. Bernhard Banas, Regensburg

Obwohl alle nationalen und internationalen Hypertonie-Leitlinien anderes sagen, ist der längst überholte Merksatz „Hundert plus Lebensalter ist der normale (systolische) Blutdruck“ in der Bevölkerung, aber auch unter Ärzten immer noch weit verbreitet. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade bei älteren Patienten die medikamentöse Einstellung eines Bluthochdrucks auf einen Zielblutdruck von < 140/90 mm Hg allzu oft unzureichend oder sogar überhaupt nicht erfolgt.

Betrachtet man vordergründig als das Hauptziel einer blutdrucksenkenden Therapie das Verhindern von kardiovaskulären Spätkomplikationen, so darf natürlich die prinzipielle Frage gestellt werden, ob es wirklich notwendig ist, einen bis dato mehr oder weniger „gesunden“ 85-Jährigen mit Antihypertensiva zu behandeln. Dennoch sprechen überzeugende Daten dafür, dies zu tun, und mit der kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten HYVET-Studie (Hypertension in the very elderly trial) kamen nochmals gute Argumente hinzu.

Seit Langem ist bekannt, dass in den Industrieländern der systolische Blutdruck nahezu linear mit dem Alter steigt, bei über 70-Jährigen ist meist die Variante einer isoliert systolischen Hypertonie zu beobachten. Erhöhter Blutdruck geht mit einem erheblich erhöhten kardivoaskulären Risiko einher. So hat zum Beispiel ein 50-jähriger Patient mit einem systolischen Blutdruck von mehr als 180 mm Hg im Vergleich zu einer normotensiven Kontrollperson ein 16fach erhöhtes Risiko, an einem Schlaganfall zu versterben. In der Altersgruppe der 80- bis 89-Jährigen besteht für Hypertoniker immer noch ein 3fach erhöhtes Risko.

In einer Reihe von Studien wurden seit den 90er Jahren potenzielle Vorteile einer antihypertensiven Therapie bei über 60-jährigen Patienten untersucht, und man kam zu dem Ergebnis, dass eine solche Behandlung die kardiovaskuläre Morbidität und Letalität der Patienten signifikant senkt. Als ein Beispiel sei die SHEP-Studie (Systolic hypertension in the elderly program) genannt. Diese zeigte unter anderem, dass eine Behandlung mit dem Diuretikum Chlorthalidon im Vergleich zu Plazebo das Risiko für einen Schlaganfall um 36 % reduziert.

Dennoch ergab eine von Gueyffier und Kollegen im Jahr 1999 in der Zeitschrift The Lancet publizierte Metaanalyse aus 7 geeigneten klinischen Studien, dass eine antihypertensive Behandlung bei der Subgruppe der über 80-Jährigen zwar die Risiken für Schlaganfall, kardiovaskuläre Ereignisse und Herzinsuffizienz signifikant senkte, positive Effekte auf den Endpunkt kardiovaskulärer Tod konnten jedoch nicht gezeigt werden – ganz im Gegenteil, es wurde eine (statistisch nicht signifikante) Übersterblichkeit unter antihypertensiver Therapie im hohen Alter berichtet.

Vor diesem Hintergrund war es notwendig, eine prospektive, randomisierte und Plazebo-kontrollierte Studie bei über 80-jährigen Patienten durchzuführen. In die – von der British Heart Foundation finanzierte – HYVET-Studie wurden mehr als 3 800 Patienten aus weltweit 13 Ländern eingeschlossen, deren Hypertonie im Behandlungsarm stufenweise mit dem langwirksamen Thiazid-Analogon Indapamid und dem ACE-Hemmer Perindopril therapiert wurde. Es wurde ein Zielblutdruck von < 150/80 mm Hg angestrebt. Diesen erreichten immerhin etwa 50 % der Patienten.

Was war das Ergebnis? Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von etwa 2 Jahren waren wie zu erwarten in der Behandlungsgruppe 30 % weniger Schlaganfälle verzeichnet worden. Interessanterweise zeigte sich aber auch, dass das Risiko eines tödlich verlaufenden Schlaganfalls um knapp 40 % sank. Ebenso waren 23 % weniger kardiovaskuläre Todesfälle beobachtet worden, einhergehend mit einem um 21 % verminderten Gesamtrisiko zu versterben. Als zusätzlichen Nutzen hatten die antihypertensiv behandelten Studienteilnehmer ein um 64 % verringertes Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken.

In Kenntnis dieser Daten sollten die Vorgaben der Hypertonie-Leitlinien auch bei der Behandlung älterer Hypertoniker zukünftig konsequent umgesetzt werden. Als sinnvolle Antihypertensiva sind vielleicht speziell Diuretika zu nennen, aber gerade beim älteren Patienten ist in Abhängigkeit von vorbestehenden Begleiterkrankungen und möglichen Medikamentennebenwirkungen eine maßgeschneiderte Therapie unter Einbezug von ACE-Hemmern/Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, Calciumkanalblockern und Betablockern notwendig. Auf gar keinen Fall jedoch sollte eine langjährig gut tolerierte, antihypertensive Therapie bei über 80-Jährigen aus Angst vor Nebenwirkungen oder einer möglichen Übersterblichkeit reduziert oder abgesetzt werden.

Quellen

1. Beckett NS, et al. Treatment of hypertension in patients 80 years of age or older. N Engl J Med 2008;358:1887–98.

2. Perry HM Jr, et al. Effect of treating isolated systolic hypertension on the risk of developing various types and subtypes of stroke: the Systolic Hypertension in the Elderly Program (SHEP). JAMA 2000;284:465–71.

3. Gueyffier F, et al. Antihypertensive drugs in very old people: a subgroup meta-analysis of randomised controlled trials. INDANA Group. Lancet 1999;353:793–6.

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