Prof. Dr. med. Jürgen Schölmerich, Regensburg
Deutschland gilt als Land der Forschung und Innovation. Deren Köpfe werden als Kapital der Zukunft angesehen. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass Deutschland bei der Penetration des Marktes für innovative Arzneimittel, beispielsweise zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, praktisch das Schlusslicht unter den relevanten Ländern bildet. Dies könnte verschiedene Ursachen haben:
- übertriebenen Einsatz in anderen Ländern infolge anderer Fortbildung,
- aktiveres Marketing oder
- höhere Ausgaben für das Gesundheitswesen, denn die Innovationen sind meist teuer.
Letzteres ist mit Ausnahme der Schweiz aber offensichtlich nicht der Fall. Aktiveres Marketing als Ursache halte ich für unwahrscheinlich, auch wenn die Möglichkeit, direkt beim Patienten zu werben, wie sie beispielsweise in den USA gegeben ist, vermutlich zu erhöhter Marktpenetranz führt.
Sollte es also tatsächlich an der Fortbildung liegen? Wieder sind mehrere Szenarien denkbar: Mangelnde Fortbildung bezüglich des Potenzials der Innovationen oder – im Vergleich zu anderen Ländern – bessere Fortbildung bezüglich der Risiken und Probleme. Beides erscheint unwahrscheinlich, wenn man die Größenordnung der Unterschiede (Faktor 4 bis 5) bedenkt.
Ist es also einfach eine größere Zurückhaltung gegenüber Innovationen, wie sie in unserer Gesellschaft und damit auch bei Ärzten und Patienten gegenüber vielen Dingen, von der Atomkraft über die grüne Gentechnik bis zur Transplantationsmedizin – zumindest was die Spenderbereitschaft angeht –, zu finden ist? Sollte dies der Fall sein, wäre die Vorstellung der Politik vom Land der Forscher und Denker utopisch – es wird auf Dauer nicht funktionieren, wenn erdachte und erforschte Innovationen nur exportiert werden. So erfreulich es ist, dass die klinische Forschung in Deutschland wieder im Aufwind ist, so wenig können wir langfristig akzeptieren, dass die Ergebnisse, wenn sie innovative Therapien hervorbringen, nicht auch hierzulande genutzt werden.
Es ist sicher vernünftig, Neues nicht unkritisch und mit der Gießkanne anzuwenden, es ist aber im Interesse der Patienten und der Ökonomie nicht sinnvoll, in Innovationsfurcht zu verharren. Auch unsere Patienten in Deutschland müssen adäquaten Zugang zu nützlichen Innovationen haben. Dies erfordert allerdings auch eine kritische Bewertung des Nutzens – das muss in eigenem Interesse auch die Industrie sehen. Eine finanzielle Begründung für eine eingeschränkte Nutzung innovativer und erwiesenermaßen nützlicher Therapien sollte es in einem Land, das zu den reichen Ländern dieser Welt gehört, gewiss nicht geben. Dass dies voraussetzt, mit den Ressourcen sinnvoll und wirtschaftlich umzugehen, sollte uns ebenfalls allen klar sein.
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