Unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen von Psychopharmaka


Pathophysiologie und Risikominimierung

Katharina Wenzel-Seifert, Regensburg, Claus-Peter Ostermeier, Werneck, Nagia Ben Omar und Ekkehard Haen, Regensburg, für die Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapie bei psychiatrischen Erkrankungen (AGATE e.V.)

Kardiotoxische Nebenwirkungen, vor allem Herzrhythmusstörungen, Reizüberleitungsstörungen, Myokarditis und Myokardiopathien, treten im Vergleich zu kardiovaskulären Wirkungen, insbesondere zur orthostatischen Hypotension, unter Therapie mit Psychopharmaka selten auf, können aber zu plötzlichen Todesfällen führen. Die meisten dieser Effekte lassen sich über den Wirkungsmechanismus der Arzneimittel erklären.
Orthostatische Hypotension und kompensatorische Reflextachykardie sind vor allem auf einen peripheren alpha1-adrenergen Rezeptorantagonismus zurückzuführen. Supraventrikulären Tachykardien liegen zudem zahlreiche weitere Mechanismen zugrunde: eine antagonistische Wirkung an muskarinergen Acetylcholinrezeptoren, die Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin aus dem synaptischen Spalt und die Hemmung der Monoaminoxidase (MAO) – speziell in Kombination mit anderen noradrenergen und dopaminergen Substanzen. Letztere können zudem moderate und transiente Blutdruckanstiege, aber auch schwere hypertensive Reaktionen bewirken. Bradyarrhythmien werden durch Blockade von spannungsabhängigen Na+-/Ca2+-Kanälen bzw. im Falle von Lithium von HCN(Hyperpolarization-activated cyclic nucleotide-gated)-Kanälen hervorgerufen. Durch Arzneistoffe induzierte Repolarisationsstörungen mit Verlängerung des frequenzkorrigierten QT-Intervalls (QTc) sind Folge der Blockade von K+-Auswärtsströmen, die als „rapid delayed rectifier K+ currents“ bezeichnet und durch sogenannte HERG(Human ether-à-go-go-related gene)-Ionenkanäle ermöglicht werden. Bradykarde und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen treten insgesamt selten auf. Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren haben jedoch ein deutlich höheres Risiko. Zu diesen Faktoren zählen vor allem kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Alter über 65 Jahre, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, hohe Wirkstoffkonzentrationen der Psychopharmaka und Kombinationen mehrerer potenziell kardiotoxischer Arzneimittel. Neben einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung und der Abklärung kardiovaskulärer Begleiterkrankungen sollten zur Risikominimierung vor und unter Therapie Blutdruck-, Herzfrequenz- bzw. EKG-Kontrollen sowie Elektrolytkontrollen erfolgen. Es ist empfehlenswert, die Kalium- und Magnesiumkonzentrationen im Blut im hochnormalen Bereich zu halten und gegebenenfalls vor allem Magnesium zu substituieren. Zudem sollte bei Risikopatienten die Behandlung durch therapeutisches Drug-Monitoring überwacht werden.
Arzneimitteltherapie 2013;31:295–304.

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