Unerwünschte kardiovaskuläre Wirkungen von Psychopharmaka
Pathophysiologie und Risikominimierung
Kardiotoxische Nebenwirkungen, vor allem Herzrhythmusstörungen, Reizüberleitungsstörungen, Myokarditis und Myokardiopathien, treten im Vergleich zu kardiovaskulären Wirkungen, insbesondere zur orthostatischen Hypotension, unter Therapie mit Psychopharmaka selten auf, können aber zu plötzlichen Todesfällen führen. Die meisten dieser Effekte lassen sich über den Wirkungsmechanismus der Arzneimittel erklären.
Orthostatische Hypotension und kompensatorische Reflextachykardie sind vor allem auf einen peripheren alpha1-adrenergen Rezeptorantagonismus zurückzuführen. Supraventrikulären Tachykardien liegen zudem zahlreiche weitere Mechanismen zugrunde: eine antagonistische Wirkung an muskarinergen Acetylcholinrezeptoren, die Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin aus dem synaptischen Spalt und die Hemmung der Monoaminoxidase (MAO) – speziell in Kombination mit anderen noradrenergen und dopaminergen Substanzen. Letztere können zudem moderate und transiente Blutdruckanstiege, aber auch schwere hypertensive Reaktionen bewirken. Bradyarrhythmien werden durch Blockade von spannungsabhängigen Na+-/Ca2+-Kanälen bzw. im Falle von Lithium von HCN(Hyperpolarization-activated cyclic nucleotide-gated)-Kanälen hervorgerufen. Durch Arzneistoffe induzierte Repolarisationsstörungen mit Verlängerung des frequenzkorrigierten QT-Intervalls (QTc) sind Folge der Blockade von K+-Auswärtsströmen, die als „rapid delayed rectifier K+ currents“ bezeichnet und durch sogenannte HERG(Human ether-à-go-go-related gene)-Ionenkanäle ermöglicht werden. Bradykarde und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen treten insgesamt selten auf. Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren haben jedoch ein deutlich höheres Risiko. Zu diesen Faktoren zählen vor allem kardiovaskuläre Vorerkrankungen, Alter über 65 Jahre, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, hohe Wirkstoffkonzentrationen der Psychopharmaka und Kombinationen mehrerer potenziell kardiotoxischer Arzneimittel. Neben einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung und der Abklärung kardiovaskulärer Begleiterkrankungen sollten zur Risikominimierung vor und unter Therapie Blutdruck-, Herzfrequenz- bzw. EKG-Kontrollen sowie Elektrolytkontrollen erfolgen. Es ist empfehlenswert, die Kalium- und Magnesiumkonzentrationen im Blut im hochnormalen Bereich zu halten und gegebenenfalls vor allem Magnesium zu substituieren. Zudem sollte bei Risikopatienten die Behandlung durch therapeutisches Drug-Monitoring überwacht werden.
Arzneimitteltherapie 2013;31:295–304.
English abstract
Cardiovascular adverse effects of psychotropic drugs: Pathophysiology and risk management
In comparison to cardiovascular adverse events, particularly orthostatic hypotension, psychotropic drug induced cardiotoxic side effects, e.g. cardiac conduction disorders, arrhythmias, myocarditis and cardiomyopathies are rare, but they can lead to sudden cardiac death. These effects can be explained by the mode of action of the drugs. Orthostatic hypotension and compensatory reflex tachycardia are caused by antagonism of peripheral alpha1-adrenergic receptors. In addition, supraventricular tachycardia can be induced by antagonism of muscarinic acetylcholine receptors, inhibition of norepinephrine and dopamine reuptake from synaptic cleft into the presynaptic cell and inhibition of monoamine oxidase – especially in combination with adrenergic and dopaminergic drugs. The latter can lead to moderate and transient elevations of blood pressure and in rarer cases to severe hypertensive reactions. Bradyarrhythmias often arise due to blockade of voltage-dependent sodium and calcium channels or in case of lithium of hyperpolarization-activated cyclic-nucleotide-gated (HCN) channels. Drug-induced abnormalities of cardiac repolarization and prolongation of the heart rate corrected QT interval (QTc) are caused by blockade of the rapid delayed rectifier K+ currents mediated by so called human ether-à-go-go-related gene (HERG) ion channels. Although bradycardic and ventricular arrhythmias are in general rare events, patients with additional risk factors, above all cardiovascular diseases, age over 65 years, hypokalemia, hypomagnesaemia, high blood concentrations of the drugs and concurrent prescription of potentially cardiotoxic drugs are at considerably higher risk.
Besides a thorough benefit risk assessment and identification of preexisting cardiovascular diseases it is recommended to monitor heart rate, blood pressure, the electrocardiogram (ECG) as well as potassium and magnesium blood concentrations before and during drug therapy for risk minimization. It is advisable to keep potassium and magnesium blood concentrations in the upper reference range. In addition, psychotropic drug therapy of risk patients should be accompanied by therapeutic drug monitoring.
Key words: cardiotoxicity, cardiovascular side effects, QTc, antidepressants, antipsychotics
IRIS nach Absetzen von TNF-α-Inhibitoren unter der systemischen Therapie einer Tuberkulose oder …
Zu TNF-α-(Tumornekrosefaktor-alpha-)-Inhibitoren gibt es eine Reihe von Fallberichten, bei denen es unter der kausalen Therapie einer Tuberkulose oder von invasiven Pilzinfektionen nach Absetzen des TNF-α-Inhibitors zu einer unerwarteten klinischen Verschlechterung kam. In diesen Fällen wurde von den Autoren eine Reaktion vermutet, die dem Immunrekonstitutionssyndrom (Immune reconstitution inflammatory syndrome, IRIS) ähnelt. Grundsätzlich gehören schwere Infektionen zu den bekannten Risiken der TNF-α-Inhibitoren. Die Fachinformation geht insbesondere auf Tuberkulose (Tbc) und invasive Pilzinfektionen ein [1, 2]. Es ist auch mit einer Reaktivierung einer latenten Tbc, dem Befall durch atypische Mykobakterien oder opportunistische Erreger zu rechnen [3, 4].
HIV-Therapie
Dolutegravir bei antiretroviral-naiven Erwachsenen auch langfristig wirksam
In einer doppelblinden Plazebo-kontrollierten Studie (SPRING-2) erwies sich die einmal tägliche Gabe einer Dolutegravir enthaltenden antiretroviralen Kombinationstherapie der zweimal täglichen Anwendung einer entsprechenden Raltegravir enthaltenden Therapie bei HIV-1-positiven antiretroviral-naiven Erwachsenen nach einer Behandlungszeit von 96 Wochen als nicht unterlegen. In beiden Studienarmen wurde eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit dokumentiert. Im Dolutegravir-Arm war auch nach der 96. Behandlungswoche keine Resistenz gegen Dolutegravir oder die therapeutisch eingesetzten Reverse-Transkriptase-Inhibitoren nachzuweisen. Dolutegravir wurde inzwischen von der FDA für die Kombinationstherapie bei HIV-1-Infektionen für Patienten ab 12 Jahre zugelassen.
Chronisch thromboembolischer Lungenhochdruck
Riociguat als Therapieoption bei Inoperabilität
Riociguat wirkt gefäßerweiternd, antiproliferativ und antifibrotisch. In einer Phase-III-Studie konnte Riociguat die Gehstrecke von Patienten mit chronisch thromboembolischem Lungenhochdruck signifikant verbessern. Therapie der Wahl bleibt trotzdem die operative Thrombenentfernung.
Arterieller Lungenhochdruck
Riociguat als neue Therapieoption mit vergleichbarer Effektivität
Für Riociguat, einen Stimulator der löslichen Guanylatcyclase (sGC), konnte in einer Phase-III-Studie mit Patienten, die einen pulmonalarteriellen Hochdruck zeigten, eine vergleichbare Wirksamkeit wie für bereits zugelassene Arzneimittel nachgewiesen werden. Unerwünschte Wirkungen traten in der Behandlungs- und der Plazebo-Gruppe etwa gleich häufig auf, sodass die Anwendung relativ sicher erscheint.
Hepatitis-C-Virusinfektion
Neue Behandlungsoption ohne Interferon
In einer klinischen Phase-IIb-Studie zeigten 52 bis 69% der Patienten, die mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert waren und mit der Interferon-freien Dreifachkombination aus Faldaprevir/Deleobuvir plus Ribavirin behandelt wurden, eine anhaltende virologische Antwort. Diese war abhängig vom jeweiligen genetischen Subtyp.
OPTiM-Studie
Talimogen Laherparepvec bei Melanom
Talimogen Laherparepvec (T-VEC) verbessert bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom das dauerhafte Ansprechen und die Ansprechrate im Vergleich zu GM-CSF signifikant. Dies zeigen die Ergebnisse der Phase-III-Studie OPTiM, die Ende September 2013 auf dem Europäischen Krebskongress in Amsterdam vorgestellt wurden.
Schlaganfallprävention
Warfarin bei Patienten mit mechanischen Herzklappen Dabigatran überlegen
Bei einigen Patienten mit einer Herzklappenerkrankung ist es notwendig, mechanische anstelle von biologischen Herzklappen zu implantieren. Patienten mit mechanischen Herzklappen tragen ein hohes embolisches Schlaganfallrisiko und müssen daher lebenslang antikoaguliert werden. Dies erfolgte bisher mit Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin oder in Deutschland mit Phenprocoumon. Dabigatran (Pradaxa®) ist ein direkter oraler Thrombinhemmer, der in der Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern in der hohen Dosis von zweimal täglich 150 mg einer Antikoagulation mit Warfarin überlegen war. Daher wurde eine Phase-II-Studie durchgeführt, um die Sicherheit von Dabigatran bei Patienten nach mechanischem Herzklappenersatz zu untersuchen.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
Neurotraumatologie
Neuroprotektivum CDP-Cholin zeigt beim Schädel-Hirn-Trauma keine Wirksamkeit
Für CDP-Cholin, ein Neuroprotektivum, konnte in einer randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie mit 1213 Patienten, die mittelschwere Schädel-Hirn-Traumen aufwiesen, keine Wirksamkeit gezeigt werden.
Mit einem Kommentar von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Mammakarzinom
Prävention durch selektive Estrogenrezeptormodulatoren
Selektive Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) können Brustkrebs vorbeugen, bestätigt eine Metaanalyse von neun Plazebo-kontrollierten Studien. Dieser präventive Effekt wird sowohl während der Therapie selbst als auch noch mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Therapie beobachtet.
AZURE-Studie bei Mammakarzinom
Zoledronsäure hemmt Metastasenbildung nicht bei allen Frauen
Das Bisphosphonat Zoledronsäure hemmt bei Frauen mit Mammakarzinom in der Adjuvans die Metastasenbildung nur, wenn sich diese Frauen schon mindestens fünf Jahre in der Menopause befinden. Bei prämenopausalen Frauen kann das Bisphosphonat das Risiko für viszerale Metastasen sogar erhöhen, so eines der finalen Ergebnisse der Phase-III-Studie AZURE, die am 30. September 2013 beim Europäischen Krebskongress in Amsterdam vorgestellt wurden.
Metastasiertes Nierenzellkarzinom
Axitinib in der Zweitlinienntherapie
Mit Axitinib wurde im September 2012 von der Europäischen Kommission ein weiterer Tyrosinkinase-Inhibitor zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen. Axitinib ist bei erwachsenen Patienten nach Versagen von vorangegangener Therapie mit Sunitinib oder einem Zytokin indiziert. Axitinib führte im direkten Vergleich zu Sorafenib in der Zweitlinientherapie zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben. Die Daten wurden bei einem von Pfizer Oncology veranstalteten Satellitensymposium im Rahmen der letztjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. (DGHO) vorgestellt.
Orthopädische Thrombose-Prophylaxe
Klinischer Alltag bestätigt Studienergebnisse mit Rivaroxaban
In Zulassungsstudien war Rivaroxaban bei der orthopädischen Thrombose-Prophylaxe niedermolekularem Heparin überlegen hinsichtlich der Gesamtrate venöser Thromboembolien, ohne dass damit ein erhöhtes Blutungsrisiko verbunden war. Die Ergebnisse einer Registerstudie (ORTHOTEP-Register), die die günstigen Eigenschaften von Rivaroxaban in der klinischen Praxis bestätigen, wurden im Rahmen eines von der Firma Bayer Vital GmbH veranstalteten Presseworkshops vorgestellt.
Opioidtherapie in der Palliativmedizin
Transmukosales Fentanyl bei Durchbruchschmerzen
Die Schmerztherapie bei Patienten in palliativer Situation wird bestimmt von retardierten Opioiden. Kommt es im Krankheitsverlauf nach zunächst gut beherrschbarer Schmerzsituation zu einer erneuten Exazerbation, können hierfür verschiedene Ursachen verantwortlich sein. Die Therapie des Durchbruchschmerzes sowie die opioidinduzierte Hyperalgesie wurden auf dem 8. Bremer Kongress für Palliativmedizin ausführlich erörtert.
Analgosedierung bei Intensivpatienten
Neue Substanzen bieten Vorteile
Die Langzeitanalgosedierung ist eine alltägliche Herausforderung auf der Intensivstation. Sie erfordert den rationalen Einsatz von Sedativa und Analgetika, wobei heute ein eher restriktives Vorgehen empfohlen wird. Neuere Substanzen wie der My-Agonist Remifentanil und der hochselektive Alpha-2-Agonist Dexmedetomidin bieten im Vergleich zu anderen Substanzen wie Benzodiazepinen und Propofol wesentliche Vorteile. Der Stellenwert beider Substanzen wurde im Rahmen des Seminarkongresses „Interdisziplinäre Intensivmedizin“ in Garmisch-Partenkirchen diskutiert.