Aktuelles zur Psychopharmakotherapie


Gerd Laux, Haag i. OB/München

Trotz hohem Bedarf angesichts der Häufigkeit psychischer Krankheiten und vieler therapeutischer „unmet needs“ wurden in den letzten Jahren nur wenige neue Psychopharmaka eingeführt. An der Hürde des in Deutschland zu belegenden „Zusatznutzens“ scheiterten Lurasidon und jüngst Vortioxetin, für das der Hersteller angesichts eines angebotenen Tagestherapiepreises von 9 Cent keine Re-Finanzierungschance sah. Zu den neuen Substanzen zählt der selektive Opioid-Modulator Nalmefen zur Reduktion des Alkoholkonsums, der als wirksam und kosteneffektiv bewertet wird. Das neue multimodal wirkende Antidepressivum Vortioxetin zeigte günstige Effekte auf kognitive Funktionen, ist in Deutschland jetzt nicht mehr im Handel, wird aber in neuen Indikationen weiter beforscht. Das ältere selektiv noradrenerg-serotonerg wirkende Antidepressivum Milnacipran wurde jüngst in Deutschland eingeführt, ebenso der selektive Alpha2-Rezeptoragonist Guanfacin zur Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Zur Therapie der Adipositas wurde der Glucagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonist Liraglutid zugelassen. Im Ausland (USA) neu verfügbar sind die atypischen Antipsychotika Cariprazin und das Aripiprazol-verwandte Brexpiprazol. Wichtige Weiterentwicklungen fanden sich angesichts der großen Adhärenzproblematik der medikamentösen Schizophrenie-Langzeittherapie im Bereich der Depot-Antipsychotika: Paliperidon liegt nun als 3-Monats-Depot vor, Aripiprazol als monatliches Depot. Eine innovative neue Darreichungsform ist das erste inhalative Antipsychotikum Loxapin zur schnellen Kontrolle von Agitiertheit bei Erwachsenen mit Schizophrenie oder Manie. Ketamin und Botulinumtoxin werden bei Depressionen als neue Indikationen in klinischen Versuchen eingesetzt. Als Augmentations-/Add-on-Therapie bei sogenannten therapieresistenten Depressionen werden nun atypische Antipsychotika wie Quetiapin empfohlen. Eine innovative Substanz ist der in Phase-III-Studien befindliche Glycin-Inhibitor Bitopertin, zu neuen (Depressions-)Therapieansätzen im Experimentalstadium zählen Celecoxib, Pioglitazon, Minocyclin, CRH- und Glutamat/NMDA-Rezeptor-Antagonisten, Nicotin-Rezeptor-Modulatoren und Darm-Mikrobiota („Psychobiotica“). Die Entwicklung von Psychopharmaka ist hoch aufwendig, Studien sind langwierige, riskante Investitionen, der mediale Negativ-Tenor ein weiteres Problem. Konstruktive Lösungsansätze sind dringend gefragt, um einen Stillstand in der Psychopharmaka-Weiterentwicklung zu verhindern.
Arzneimitteltherapie 2016;34:394–404.

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