Dr. Stefan Fischer, Stuttgart
Foto: Ferdinando Iannone
Kaum eine Wissenschaft ist dem Wandel so unterworfen wie die Medizin. Therapien, die vor zehn Jahren obligat waren, können heute bei Experten Augenrollen und Kopfschütteln auslösen. Aber nicht nur die Medizin selbst, sondern auch die regulatorischen Rahmenbedingungen ändern sich stetig. Seit 2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Aufgabe der Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V. Wenige andere gesetzliche Änderungen hatten einen so tiefgreifenden Einfluss auf die Therapie sowie ihre Rahmenbedingungen. Und wahrscheinlich noch weniger polarisieren so stark.
Ein Grund sind sicher Missverständnisse. Selbst die Zusammenfassungen der G-BA-Beschlüsse sind so umfangreich, dass wohl kaum ein praktischer Arzt sie als Lektüre in seinem Alltag unterbringen kann. Außerdem hat der G-BA ein juristisch streng abgestecktes Aufgabenfeld, das den Therapeuten manchmal ungläubig zurücklässt. Oft habe ich erlebt, dass Ärzte und Apotheker nach dem Urteil „kein Zusatznutzen“ vehement auf die Wirksamkeit des Präparats verweisen. Dabei zieht der G-BA die Wirksamkeit nur in den seltensten Fällen in Zweifel. Bei den Beschlüssen geht es um den Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Auch über diese lässt sich vortrefflich streiten, aber meist existieren tatsächlich einfach keine Studien, mit denen sich ein sinnvoller direkter Vergleich anstellen lässt. Ähnlich verhält es sich beim Antirheumatikum Sarilumab, dessen Nutzenbewertung wir auf Seite 272 für Sie kommentieren.
Direkte Head-to-Head-Vergleiche mit einer leitliniengerechten Therapie sind zwar wünschenswert, aber keine Voraussetzung für den Einsatz eines Präparats. Dann liegt es am Arzt, aufgrund individueller Parameter zu entscheiden, welche der verfügbaren Therapien für seinen Patienten am besten geeignet ist. Nun sind Pharmafirmen aber keine Wohlfahrtsunternehmen. Aus ökonomischen Überlegungen nimmt ein Hersteller ein Präparat nach einer unvorteilhaften Nutzenbewertung schon mal ganz vom Markt, statt es in eine Festbetragsgruppe einordnen zu lassen. Verlierer sind die Patienten. Hier besteht Handlungsbedarf, damit therapeutische Optionen, die für einzelne Patienten sicher sinnvoll sind, niederschwellig verfügbar bleiben.
Ein anderes Feld, das in der Nutzenbewertung überarbeitet werden sollte, ist die Bewertung von Orphan-Drugs. Hier gilt der Zusatznutzen als gegeben, wenn eine bestimmte Zahl von Patienten nicht überschritten wird. Und das ist vollkommen richtig. Ein aktuelles Beispiel ist Metreleptin, das zur Behandlung von Lipodystrophien indiziert ist. In ihrem Kommentar ab Seite 277 erläutern Schalla und Stengel, warum der G-BA die Datenlage als unzureichend betrachtet, die Therapieoption für spezialisierte Zentren aber trotzdem wichtig ist. Allerdings kann das Indikationsfeld vom Hersteller auch bewusst eng gewählt werden, um unter diese Regelung zu fallen. Dadurch verliert man zwar möglicherweise potenzielle Patienten, entgeht aber der Einordnung in eine Festbetragsgruppe.
Aber wie steht es um den Nutzen der AMT für Ihre Arbeit? Mit dem Wandel der Medizin ändern sich die Ansprüche von Ärzten und Apothekern an Fachzeitschriften. Helfen Sie uns, damit die AMT auch in Zukunft einen beträchtlichen Zusatznutzen für Sie hat, und nehmen Sie an unserer Leserbefragung teil! Sie dauert nur wenige Minuten.
Vielen Dank!
Ihre Zugangsdaten
Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AMT-Abonnent?
Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.