Fortschritte in der Therapie der Tuberkulose
Ein Update
Tuberkulose zählt weiterhin zu den tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Besonders bedrohlich ist die Zunahme resistenter Bakterienstämme. In Deutschland werden bedingt durch die Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine aktuell erstmals wieder steigende Infektionszahlen verzeichnet. Mit der Entwicklung von Rifapentin und Pretomanid stehen sowohl für die arzneimittelsensible Tuberkulose als auch für die multiresistente Tuberkulose hocheffektive, rein orale und deutlich kürzere Therapieregime zur Verfügung. Dies erhöht die Verträglichkeit und Therapieadhärenz. Bedauerlicherweise ist Rifapentin als Teil eines 4-monatigen Regimes für die arzneimittelsensible Tuberkulose in Europa nicht erhältlich, sodass derzeit an der herkömmlichen 6-monatigen Vierfach-Standardtherapie aus Rifampicin, Isoniazid (über 6 Monate), Ethambutol und Pyrazinamid (erste 2 Monate) festgehalten wird. Pretomanid als Teil des 6-monatigen BPaLM-Regimes (Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid, Moxifloxacin) für multiresistente Tuberkulose muss aus dem Ausland importiert werden. In Deutschland wird hier weiterhin eine 18-monatige Therapie basierend auf einer Kombination von mindestens vier Arzneimitteln aus den effektivsten Wirkstoffgruppen empfohlen. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über aktuelle Neuerungen in der Therapie der arzneimittelsensiblen und -resistenten Tuberkulose.
Arzneimitteltherapie 2023;41:208–17.
Mirikizumab
Neue Behandlungsoption für mittelschwere und schwere Verläufe der Colitis ulcerosa
Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms, die typischerweise in Schüben verläuft. Je nach Schweregrad beschränkt sich die Entzündung auf den Mastdarm oder breitet sich auf den linksseitigen oder sogar den gesamten Dickdarm aus. Leitsymptome sind chronische, oft blutige Durchfälle, Schmerzen im linksseitigen Unterbauch und ein starker imperativer Stuhldrang. Die entzündungshemmende Behandlung erfolgt vor allem mit Aminosalicylaten und Glucocorticoiden, bei schweren Fällen kommen u. a. Immunmodulatoren oder JAK-Inhibitoren zum Einsatz. Seit Mai 2023 steht in Europa mit Mirikizumab ein weiteres Biologikum für die Therapie der mittelschweren bis schweren Colitis ulcerosa zur Verfügung. Der humanisierte, monoklonale IgG4-Antikörper bindet die für Interleukin (IL) 23 spezifische Untereinheit p19 und verhindert dadurch die Aktivierung des IL23-Rezeptors. In den Zulassungsstudien LUCENT-1 und LUCENT-2 erreichten unter Mirikizumab signifikant mehr Probanden die klinische Remission als unter Placebo. Als häufigste Nebenwirkungen der Behandlung traten Reaktionen an der Einstichstelle, Infektionen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen und Hautausschlag auf.
Arzneimitteltherapie 2023;41:219–23.
English abstract
Mirikizumab
Ulcerative colitis is a chronic inflammatory disease of the colon that typically occurs in flare-ups. Depending on the severity, the inflammation may be limited to the rectum or may spread to the left side or even the entire colon. Key symptoms include chronic, often bloody diarrhea, pain in the lower left abdomen, and a strong bowel-movement urgency. The anti-inflammatory treatment primarily involves aminosalicylates and glucocorticoids, while severe cases may also require immunomodulatory agents and JAK inhibitors. Since May 2023, with the biologic agent mirikizumab a new option for the treatment of moderate to severe ulcerative colitis is available in Europe. This humanized, monoclonal IgG4 antibody binds to the p19 subunit specific for interleukin 23, thereby preventing the activation of the IL23 receptor. In the registration studies LUCENT-1 and LUCENT-2, significantly more patients achieved clinical remission with mirikizumab compared to placebo. The most common side effects of the treatment were injection site reactions, upper respiratory tract infections, headaches, and skin rashes.
Key words: interleukin 23, mirikizumab, ulcerative colitis
Morbus Crohn
Upadacitinib überzeugt in Phase-III-Studien
In den Phase-III-Studien U-EXCEL, U-EXCEED und U-ENDURE überzeugte der selektive Januskinase-1-Inhibitor Upadacitinib in der Induktions- und Erhaltungstherapie bei Patienten mit Morbus Crohn durch eine signifikant höhere klinische und endoskopische Ansprechrate im Vergleich zu Placebo.
Adipositas
Orforglipron, ein oraler GLP-1-Rezeptoragonist zur Therapie der Adipositas bei Erwachsenen
Mit einem Kommentar des Autors
Die tägliche orale Einnahme von Orforglipron, einem nichtpeptidischen GLP-1-Rezeptoragonisten, führte im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Gewichtsreduktion bei adipösen Erwachsenen. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren ähnlich wie bei den injizierbaren GLP-1-Rezeptor-Agonisten.
Colitis ulcerosa und chronische Pouchitis
Vedolizumab ist wirksamer als Placebo
Eine Pouchitis ist gekennzeichnet durch erhöhte Stuhlfrequenz, Bauchschmerzen, Stuhldrang und Einschränkung der Lebensqualität. Sie entwickelt sich bei der Hälfte aller Patienten, die sich aufgrund einer Colitis-ulcerosa-Erkrankung einer Proktokolektomie mit ilealer Pouch-Anal-Anastomose unterziehen. Bei 20 % wird sie chronisch. Vedolizumab zeigte sich in der EARNEST-Studie als wirksames Therapeutikum bei chronischer Pouchitis.
Morbus Crohn
Kombinationstherapie von Adalimumab plus Methotrexat bei Kindern vorteilhaft
Die TNF-α-Inhibitoren Adalimumab und Infliximab haben ihren festen Platz in der Therapie des Morbus Crohn bei Kindern und Jugendlichen. Eine aktuelle Studie zeigte nun, dass eine Kombination von Adalimumab mit Methotrexat beim pädiatrischen M. Crohn einen deutlichen Nutzen gegenüber der alleinigen Therapie mit Adalimumab erbringt. Bei Kindern, bei denen Methotrexat mit Infliximab kombiniert wurde, war dieser Vorteil nicht zu beobachten.
Kardiovaskuläre Ereignisse
Bempedoinsäure zur Primärprävention bei Patienten mit Statin-Intoleranz
Mit einem Kommentar des Autors
Eine Subgruppenanalyse der CLEAR-Outcome-Studie mit 4206 Hochrisikopatienten in der Primärprävention zeigte, dass eine Behandlung mit Bempedoinsäure im Vergleich zu Placebo mit einer geringeren Anzahl schwerer kardiovaskulärer Ereignisse verbunden war.
Vorhofflimmern und ischämischer Schlaganfall
Früher versus später Beginn der Antikoagulation bei Vorhofflimmern und ischämischem Schlaganfall
Mit einem Kommentar des Autors
In der ELAN-Studie war die Inzidenz von rezidivierenden ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien, schweren extrakraniellen Blutungen, symptomatischen intrakraniellen Blutungen oder vaskulärem Tod nach 30 Tagen tendenziell niedriger, wenn die Sekundärprävention mit direkten oralen Antikoagulanzien früh begonnen wurde.
Atherosklerose
Höheres Risiko für Folgen der Atherosklerose bei postmenopausalen Frauen
Frauen entwickeln eine Atherosklerose im Median zwölf Jahre später als Männer. Das Risiko für schwerwiegende Folgen steigt nach der Menopause deutlich an.
Traumabedingte Koagulopathie
Gabe von Tranexamsäure vor der Krankenhausaufnahme bei schweren Traumata
Mit einem Kommentar des Autors
Bei Erwachsenen mit schwerem Trauma und Verdacht auf eine traumabedingte Koagulopathie war die prähospitale Verabreichung von Tranexamsäure, gefolgt von einer Infusion über acht Stunden, bei Patienten, die nach sechs Monaten mit einem günstigen funktionellen Ergebnis überlebten, nicht besser wirksam als Placebo.
Chronische Migräne
CGRP-Serumspiegel vor und nach Behandlung mit monoklonalen CGRP(-Rezeptor)-Antikörpern
Mit einem Kommentar des Autors
Die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern ist bei Patienten mit chronischer Migräne wirksam und in der Lage, die basal erhöhten Alpha-CGRP-Spiegel zu normalisieren. Dieser Effekt korreliert mit der Wirksamkeit, was die wichtige Rolle von Calcitonin gene related peptide (CGRP) als möglichem Biomarker für die chronische Migräne unterstützt.
Kardiologie
Sacubitril/Valsartan nun auch für Kinder mit Herzinsuffizienz zugelassen
Sacubitril/Valsartan wurde für die Behandlung von Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Dysfunktion (HFrEF) im Alter von 1 bis < 18 Jahren in der Europäischen Union zugelassen. Grundlage dieser Entscheidung bilden die Studie PANORAMA-HF zur pädiatrischen Herzinsuffizienz und Daten aus der Studie PARADIGM-HF bei Erwachsenen mit Herzinsuffizienz.
Hämatoonkologie
Duale Immuntherapie beim r/r DLBCL
In der Zweitlinientherapie des aggressiven diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) werden Chemotherapie-basierte Regime jetzt von einer dualen Immuntherapie mit Tafasitamab und Lenalidomid abgelöst. Die 5-Jahres-Daten der L-MIND-Studie wurden im Rahmen des EHA-Kongresses bei einer Pressekonferenz der Firma Incyte Biosciences im Juni 2023 vorgestellt.
Chronische Hepatitis D
Bulevirtid als erste antivirale Therapie der chronischen HDV-Infektion zugelassen
Der Entry-Inhibitor Bulevirtid hat nach der bedingten Zulassung von 2020 nun auch die Vollzulassung für die Therapie der chronischen Hepatitis-D-Virus(HDV)-Infektion erhalten. Grundlage sind die positiven Daten der Studie MYR301, deren Ergebnisse im Rahmen einer von der Gilead Sciences GmbH unterstützten Pressekonferenz vorgestellt wurden.