Entwicklungen an den Grenzflächen


Neues aus Neurologie und Onkologie

Prof. Dr. med. Wolfgang Wick, Heidelberg

Foto: Medienzentrum UKHD

Entwicklungen in der Neurologie und Onkologie entstehen aktuell vor allem an den Grenzflächen dieser und weiterer Disziplinen oder durch Hochspezialisierung innerhalb klar definierter Bereiche. Die Beiträge im vorliegenden Heft geben wichtige Beispiele zu diesem „Befund“.

Die Kardioonkologie unterstützt die spezifischen Bedürfnisse krebs- und herzkranker Patienten (s. S. 176 ff.). Während historisch vor allem relevante molekulare Signale in beiden Fachgebieten betrachtet wurden, haben wir uns über den Fokus kardialer Nebenwirkungen von onkologischer Erkrankung und Therapie zu spezifischen, häufig immuntherapeutischen Behandlungsoptionen komorbider Patienten entwickelt.

Ein ebenso neues, wissenschaftlich bereits durch fundamentale Erkenntnisse entwickeltes Feld, ist die Krebsneurowissenschaft (Cancer Neuroscience). Ausgehend vom Befund, dass im Gehirn wachsende Tumore die Architektur des zentralen Nervensystems nachahmen [2] und Funktionshierarchien existieren [1], wurde in den letzten Jahren deutlich, dass das Nervensystem einen unmittelbar steuernden Einfluss auf die Entwicklung und Therapieresistenz von hirneigenen Tumoren und Metastasen hat. Aktuell verstärken sich die zum Teil bereits historisch angelegten Hinweise (Prostata- und Pankreaskarzinominnervierung, Tumorschmerz oder innervationsstadienabhängige Entwicklung von Brustkrebs) zur Erkenntnis, dass das zentrale Nervensystem eine bislang zu gering beachtete, gleichwohl möglicherweise aber wesentliche Rolle in der Entstehung, Disseminierung und Resistenzentwicklung von Krebserkrankungen insgesamt hat [5].

Neben diesen Entwicklungen an den Grenzflächen großer etablierter Disziplinen steht ein besseres Verständnis vor allem molekularer Grundlagen einzelner Erkrankungen im Fokus, die zu einer stärkeren Substrukturierung und für die klinische Anwendung Hochspezialisierung führen können. Der Bereich der Neuroonkologie ist hier eine bereits historische Entwicklung in der Onkologie, die nicht mit dem zuvor benannten Bereich der Krebsneurowissenschaften synonym ist. Die Entdeckung spezifischer Charakteristika von im Gehirn wachsenden Neoplasien ist für dieses Feld maßgeblich. Eine Entwicklung der letzten 15 Jahre wird in diesem Heft vorgestellt (s. S. 214 ff.). Nachdem vor etwa 15 Jahren die Mutation der Isocitrat-Dehydrogenase (IDH) als sehr frühe, langfristig stabile und tumorzellspezifische Veränderung sowie als positiver prognostischer Faktor beschrieben wurde, ist in den letzten Jahren klar geworden, dass IDH-mutierte und -nicht-mutierte Gliome biologisch unterschiedliche Entitäten darstellen – sowohl molekular als auch klinisch betrachtet. Klinisch ist die Option eines postoperativ zunächst abwartenden Vorgehens und die besondere Fokussierung auf die Risiko-Nutzen-Abwägung wegen der sehr guten Prognose abträglicher unerwünschte Effekte weiterer Interventionen gegenüber dem relevanten Einfluss auf das Überleben wichtig. Mit diesem Hintergrund wurden in den letzten Jahren Konzepte entwickelt, die die Lebensqualität, neurologische Funktion – auch die Anfallssituation – und Kognition als wesentliche Erfolgsparameter betrachten [4]. Weiterhin wurden pharmakologische Strategien zur spezifischen Beeinflussung des mutierten Enzyms erarbeitet. Ebenfalls in der klinischen Entwicklung befinden sich immuntherapeutische Ansätze [3].

Was folgt aus diesen, auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinenden Entwicklungen für Patienten mit Hirntumorerkrankungen? Die besondere Beachtung, die der Funktion des Nervensystems als Opfer unerwünschter Effekte von Tumortherapie schon lange zukommt, wird durch die Befunde ergänzt, dass das Nervensystem eine aktive Rolle bei der Entwicklung und Resistenzentstehung von Krebserkrankungen spielt. Dies eröffnet die Möglichkeit für neue, vor allem auch pharmakologische Interventionen. Die kritischen Strukturen für diese Interventionen sind weitgehend bekannt. Bekannt ist aber auch, dass die Homologie dieser Strukturen in der normalen Funktion des Hirns und des Nervensystems bei der Tumorerkrankung besondere Herausforderungen für therapeutische Interventionen darstellt. In diesem Zusammenhang sind Entdeckungen spezifischer Zielstrukturen für einzelne Tumorerkrankungen von besonderer Bedeutung.

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