Impfungen gegen humane Papillomviren (HPV)
Ein Update
Infektionen mit dem humanen Papillomvirus (HPV) sind verbunden mit Karzinomen des Gebärmutterhalses, der Vagina, der Vulva, des Penis, des Anus und des Oropharyngealbereichs sowie mit Genitalwarzen und stellen eine bedeutende Krankheitslast für die Bevölkerung dar. Die HPV-Impfung als effektive präventive Maßnahme gegen HPV-assoziierte Erkrankungen überzeugt durch eine hohe Sicherheit bei gleichzeitig langanhaltender Wirkung. Nun liegen erstmals Daten vor, die auch bevölkerungsbezogene Effekte auf die Reduktion des Zervixkarzinoms durch die Impfmaßnahmen zeigen. Die folgende Übersichtsarbeit beleuchtet die Herstellung des HPV-Impfstoffs sowie die Anwendung, Effektivität und Sicherheit der HPV-Impfung und beschreibt aktuelle Daten zur bevölkerungsbezogenen Wirksamkeit.
Arzneimitteltherapie 2022;40:2–7.
English abstract
Update human papilloma virus (HPV) vaccination
Human papilloma virus (HPV) is a DNA virus and affects almost all humans during their life-time. High-risk types, such as HPV16 and HPV18, are associated with cervical cancer, as well as cancer of the vulva, vagina, anus, penis and the oro-pharyngeal tract. Low-risk types are causes of genital warts. Recombinant DNA technology was used to create non-infectious DNA-free virus-like-particles consisting of L1 proteins for vaccination against HPV which induces efficient humoral and cellular immune responses against HPV. HPV-vaccination has been proven to be protective against HPV-associated diseases and results in significant reduction of the risk to develop cervical cancer and its precursors. HPV-vaccination establishes long-term immunity and provides a favourable safety profile. Recent publications showed a significant reduction of cervical cancer on the population level and allow to estimate the general impact of HPV-vaccination programs also on the social-economical level. The vision of WHO is a cervix-cancer-free world realized by both HPV-vaccination strategies and preventive HPV-screening.
Key words: HPV; human papilloma virus; vaccination
Satralizumab
Neuer Wirkstoff gegen Neuromyelitis-optica-Spektrumerkrankungen
Neuromyelitis-optica-Spektrumerkrankungen (NMOSD) sind entzündliche Krankheiten des Zentralnervensystems, die zu Paresen und Sehstörungen bis zur Erblindung führen können. Meist wird die Erkrankung durch die Produktion von gegen Aquaporin 4 (AQP4) gerichteten Autoantikörpern ausgelöst. Diese binden an AQP4 auf Astrozyten und aktivieren damit die klassische Komplementkaskade, die wiederum eine inflammatorische Antwort nach sich zieht. Seit Juni 2021 ist Satralizumab in der EU zugelassen zur Therapie von Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit NMOSD, die anti-Aquaporin-4-IgG-seropositiv sind. Der Wirkstoff blockiert die Interleukin-6-Signalkaskade, wodurch auch die Produktion der AQP4-Autoantikörper sinkt. In den Studien SAkuraStar und SAkuraSky verringerte sich das Risiko für einen bestätigten Schub durch eine Monotherapie bzw. Add-on-Behandlung mit Satralizumab. Häufige Nebenwirkungen, die unter der Therapie auftreten, umfassen Kopfschmerzen, Arthralgie, verringerte Leukozytenzahl, Hyperlipidämie und injektionsbedingte Reaktionen.
Arzneimitteltherapie 2022;40:9–13.
English abstract
Satralizumab
Neuromyelitis optica spectrum disorder (NMOSD) is an inflammatory disease of the central nervous system that potentially causes blindness and paralysis. It is associated with the production of autoantibodies against Aquaporin (AQP4) that bind AQP4 on astrocytes, therefore activating the complement cascade leading to inflammation. Since June 2021 satralizumab (Enspryng®) is approved in the EU for the therapy of adults and adolescents from 12 years of age with AQP4-IgG seropositive NMOSD. It blocks the Interleukin-6-signaling cascade, thereby reducing the production of AQP4-autoantibodies. In clinical trials (SAkuraStar and SAkuraSky), the therapy with satralizumab reduced the risk of protocol-defined relapses. Major adverse events are headache, arthralgia, reduced leukocyte count, hyperlipidemia and infusion-related reactions.
Key words: AQP4, Neuromyelitis optica spectrum disorder, NMOSD, satralizumab
Neue Praxis-verändernde Studien in der Onkologie
Bericht von den Präsidentensymposien beim virtuellen ESMO-Kongress 2021
Beim Jahreskongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) werden die als besonders wichtig beurteilten Studien in den Präsidentensymposien vorgestellt. Nachfolgend werden die neun wichtigsten Studien aus den drei Präsidentensymposien vom 2021-Kongress (16. bis 21. September 2021) jeweils kurz zusammengefasst.
Arzneimitteltherapie 2022;40:16–20.
Highlights vom ASH
Bericht von der Jahrestagung der American Society of Hematology 2021
Auf der 63. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH), die als Hybrid-Veranstaltung stattfand (11.–14. Dezember 2021 in Atlanta), wurden neueste und zum Teil wegweisende Forschungsergebnisse präsentiert.
Arzneimitteltherapie 2022;40:21–3.
COVID-19
Molnupiravir zur oralen Behandlung bei nicht hospitalisierten Patienten
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie mit 1433 Patienten führte eine frühzeitige Behandlung mit dem Virustatikum Molnupiravir zu einem reduzierten Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalls bei ungeimpften Erwachsenen mit COVID-19.
Morbus Crohn
Vergleichende Wirksamkeit und Sicherheit von Biologika bei Morbus Crohn
Seit den 90er-Jahren stehen neben herkömmlichen Therapien auch Biologika zur Behandlung des Morbus Crohn zur Verfügung. Mit zunehmender Zahl stellt sich die Frage, welche Biologika wann geeignet sind. In der vorliegenden Metaanalyse versuchen die Studienautoren, dieser Frage nachzugehen.
Nichtkleinzelliges Lungenkarzinom
Adjuvantes Atezolizumab senkt Rezidivrisiko
Erstmals konnte mit einem Immuntherapeutikum in der Adjuvanz – Atezolizumab – bei Patienten mit einem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium I bis III das Risiko für ein Rezidiv im Vergleich zu Best Supportive Care (BSC) gesenkt werden. Wie eine Interimsanalyse der randomisierten offenen Phase-III-Studie IMpower010 ergab, war dieser Effekt bei Tumoren mit einer PD-L1-Expression von mindestens 1 % besonders ausgeprägt (Hazard-Ratio [HR] 0,66). Ergebnisse der Studie wurden beim ESMO-Kongress 2021 präsentiert und parallel in The Lancet publiziert.
KRAS-G12C-mutiertes Kolonkarzinom
Gutes Ansprechen auf Adagrasib
Adagrasib ohne und mit Cetuximab erzielte bei Patienten mit stark vorbehandeltem KRAS-G12-mutiertem Kolorektalkarzinom eine vielversprechende Ansprech- und Krankheitskontrollrate. Der irreversible KRAS-G12C-Inhibitor hat ein handhabbares Sicherheitsprofil, so die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie KRYSTAL-1, die bei der virtuellen wissenschaftlichen Jahrestagung der European Society of Medial Oncology (ESMO) 2021 präsentiert wurden.
Metastasiertes Mammakarzinom
Trastuzumab Deruxtecan als neuer Standard in der zweiten Therapielinie?
Trastuzumab Deruxtecan verbesserte bei Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom das progressionsfreie Überleben (PFS) signifikant verglichen mit Trastuzumab Emtansin, mit einem Hazard-Ratio von 0,28. Das mediane PFS ist mit Trastuzumab Deruxtecan noch nicht erreicht, mit Trastuzumab Emtansin betrug es 6,8 Monate. Dies ergab eine Zwischenanalyse der Head-to-Head-Studie DESTINY-Breast03, deren Ergebnisse bei der virtuellen wissenschaftlichen Jahrestagung der European Society of Medial Oncology (ESMO) 2021 präsentiert wurden.
Immunonkologie
Neue Indikationen für Pembrolizumab in der Erstlinientherapie
Der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab ist aus der modernen Onkologie nicht mehr wegzudenken. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) 2021 stellten Experten neue Daten zu dem Checkpoint-Inhibitor bei Ösophagus-, Kolorektal- und Nierenzellkarzinomen vor.
Hämatoonkolgie
Neue Therapieoptionen für ältere Patienten mit akuter myeloischer Leukämie oder multiplem Myelom
Seit 2021 stehen mit oralem Azacitidin und Idecabtagen vicleucel neue Therapieoptionen für ältere Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in der Erhaltungstherapie beziehungsweise für Patienten mit multiplem Myelom zur Verfügung. Auf der DGHO-Jahrestagung 2021 stellten Experten die Ergebnisse der Zulassungsstudien in einem von BMS veranstalteten Symposium vor.
Lungenkrebs
Vielfältige Therapielandschaft
Lungenkrebs ist schon lange nicht mehr einfach nur Lungenkrebs – die Therapieoptionen sind vielfältig. Beim Symposium „Lungenkarzinom – ganz einfach!“ auf der DGHO-Jahrestagung 2021 erläuterten Experten, welche Patienten besonders von zielgerichteten Wirkstoffen profitieren können.
HER2-positives metastasiertes Mammakarzinom
Tucatinib lässt auf Durchbruch in der medikamentösen Therapie von Patienten mit Hirnmetastasen …
Bis zur Entwicklung von Trastuzumab hatten Patientinnen und Patienten mit HER2-positivem Mammakarzinom eine sehr schlechte Prognose – vor allem aufgrund der Entwicklung von Hirnmetastasen. Nun steht mit Tucatinib nach Lapatinib und Neratinib der dritte Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) für diese Patientengruppe zur Verfügung. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie 2021 wurden die Studiendaten des TKI vorgestellt.
G-BA-Beschluss
Onasemnogen Abeparvovec
Der G-BA hat Onasemnogen Abeparvovec in einer Neubewertung keinen Zusatznutzen bescheinigt. Die Neubewertung des Orphan-Drugs erfolgte nach Überschreiten der 50-Millionen-Euro-Grenze. Der G-BA stellt jedoch klar, dass Onasemnogen Abeparvovec dennoch eine relevante Therapieoption ist.
Antiarrhythmische Therapie bei Vorhofflimmern
Patienten profitieren von frühem Rhythmuserhalt
Menschen mit Vorhofflimmern (VHF) erhalten leitliniengerecht eine antiarrhythmische Therapie erst dann, wenn sie symptomatisch sind [1]. Patienten profitieren aber von einer abweichenden Strategie mit frühem Rhythmuserhalt, wie die Studie EAST-AFNET 4 zeigen konnte [2]. Der Vorteil gegenüber der Standardbehandlung VHF-bezogener Symptome war so deutlich, dass die Studie vorzeitig beendet wurde, berichtete Professor Dr. med. Paulus Kirchhof, Direktor der Klinik für Kardiologie, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg, und Vorsitzender des Kompetenznetzes Vorhofflimmern e. V. (AFNET) im Rahmen eines digitalen Pressegesprächs von Bristol Myers Squibb/Pfizer und dem Kompetenznetz Vorhofflimmern e. V. im Oktober 2021.
Metastasiertes hormonsensitives Prostatakarzinom
Androgen-Rezeptor-Inhibitor führt zu schnellem PSA-Ansprechen in allen Altersgruppen
Zwei aktuelle Post-hoc-Analysen der TITAN-Studie deuten darauf hin, dass Männer mit metastasiertem, hormonsensitivem Prostatakarzinom durch die Behandlung mit Apalutamid im Vergleich zu Placebo – jeweils in Kombination mit einer Androgen-Entzugstherapie – ein schnelles PSA-Ansprechen erreichen. Die Wirksamkeit des Androgen-Rezeptor-Inhibitors scheint zudem unabhängig vom Alter zu sein.
RET-Fusions-positives NSCLC
Pralsetinib als neue Erstlinientherapie zugelassen
Für erwachsene Patienten mit RET-Fusions-positivem, fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom steht seit Herbst 2021 mit Pralsetinib eine neue Therapieoption für die Erstlinientherapie zur Verfügung. Experten stellten die Ergebnisse der Zulassungsstudie ARROW im November 2021 auf einem von der Firma Roche organisierten Pressegespräch vor.
Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL)
Tafasitamab als neue Behandlungsoption bei Rezidiv und bei therapierefraktären Patienten
Für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom, für die eine autologe Stammzelltransplantation nicht infrage kommt, steht seit 2021 mit Tafasitamab eine neue Therapieoption zur Verfügung. Die Ergebnisse der Zulassungsstudie wurden auf einer von der Firma Incyte organisierten Fachpressekonferenz vorgestellt.